Verhandlung vor dem BVerwG: Drohen Diesel-Fah­rern Fahr­ver­bote ?

22.02.2018

Das BVerwG verhandelt am Donnerstag darüber, ob Fahrverbote für Dieselautos in Städten rechtlich zulässig sind. Ein Urteil könnte eine bundesweite Signalwirkung haben.

Seit Jahren werden in vielen Städten Schadstoff-Grenzwerte nicht eingehalten. Dabei geht es um Stickoxide, die als gesundheitsschädlich gelten. Der Verkehrsbereich, darunter vor allem Dieselautos, trägt nach Angaben des Umweltbundesamts rund 60 Prozent zur Belastung bei. Für die Einhaltung von Grenzwerten laufen seit Jahren Klagen der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Auch die EU-Kommission macht Druck, es droht eine Klage vor dem EuGH.

Am heutigen Donnerstag verhandelt nun das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) über die Zulässigkeit von Fahrverboten in deutschen Innenstädten. Eine Verpflichtung durch die Bundesrichter droht den Städten dabei aber noch nicht. In Leipzig geht es zunächst einmal um die Frage, ob Städte Fahrverbote nach geltendem Recht und ohne eine bundesweit einheitliche Regelung anordnen können, damit Schadstoff-Grenzwerte eingehalten werden können.

Verhandelt wird über eine Sprungrevision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen gegen Urteile der Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf, um Fahrverbote zu vermeiden. Die Verwaltungsgerichte hatten nach einer Klage der (DUH) die Behörden verpflichtet, ihre Luftreinhaltepläne so zu verschärfen, dass die Schadstoff-Grenzwerte möglichst schnell eingehalten werden.

Zurückweisung bedeutet nicht automatisch Fahrverbote

Das Stuttgarter Gericht hatte Fahrverbote für Dieselautos dabei als "effektivste" Maßnahme bezeichnet. Das Düsseldorfer Gericht urteilte, Fahrverbote müssten "ernstlich geprüft" werden. Die Bundesländer argumentieren, es gebe Rechtsunsicherheiten und es fehle eine bundesweit einheitliche Regelung.

Eine Signalwirkung hätte es vor allem, wenn das BVerwG die Revisionen zurückweisen sollte. Damit wären die Urteile der Vorinstanzen rechtskräftig. Ein solches Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wäre das politisch mit Abstand folgenreichste - Leipzig würde damit faktisch den rechtlichen Weg für Fahrverbote ebnen.

Ob es dann tatsächlich Fahrverbote gäbe, liegt aber an den einzelnen Städten und Bezirksregierungen - einen Automatismus gibt es nicht. Für jede Stadt, in der Schadstoff-Grenzwerte überschritten werden, wäre es bei einem entsprechenden Leipziger Urteil aber möglich, Fahrverbote für ältere Diesel in den jeweiligen Luftreinhalteplan aufzunehmen. Es könnte dann aber von Stadt zu Stadt noch Wochen oder Monate dauern, bis Fahrverbote wirklich umgesetzt würden. 

Handlungsauftrag an die Bundesregierung? 

Sollte das BVerwG hingegen den Sprungrevisionen stattgeben und die Urteile der Verwaltungsgerichte aufheben, so könnte es dies aber mit einem Handlungsauftrag an die Bundesregierung verbinden. Denn das Problem, dass Schadstoff-Grenzwerte weiter überschritten werden, würde weiter bestehen. 

Die dritte Option: Das BVerwG sieht noch Aufklärungsbedarf und verweist die Fälle zu einer erneuten Verhandlung an die Verwaltungsgerichte zurück - das Problem wäre damit aufgeschoben. Als theoretisch möglich, aber sehr unwahrscheinlich gilt, dass Leipzig selbst entscheidet, Fahrverbote wären das einzige Mittel, damit die Grenzwerte eingehalten werden.

Die Verhandlung vor dem BVerwG wird mit großer Spannung erwartet. Kommunale Spitzenverbände sowie Wirtschaftsbranchen warnen, dass Fahrverbote das kommunale Leben lahmlegen könnten - weil dann möglicherweise viele Dieselautos, wie zum Beispiel Lieferwagen, nicht mehr in Innenstädte kämen. Allerdings wären Ausnahmeregelungen möglich.

Bundesregierung gegen "Blaue Plakette"

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte vor der Verhandlung die Bundesregierung: "Dass Gerichte nun darüber entscheiden müssen, wie die Luft in deutschen Städten sauberer wird, ist dem jahrelangen Nichts-Tun der Großen Koalition geschuldet." Die Bundesregierung müsse den betroffenen Städten die "blaue Plakette" als wirksames Instrument für saubere Luft an die Hand geben. Damit könnten zumindest Dieselfahrzeuge mit der neuesten Abgasnorm 6 ausgenommen sein.

Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, sagte, er sehe keine Alternative zur "blauen Plakette", wenn das Gericht Fahrverbote für zulässig erkläre. Die Bundesregierung lehnt deren Einführung bisher ab, weil damit Millionen von Dieselfahrern "enteignet" würden.

Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) hofft hingegen, dass mit der anstehenden Entscheidung des BVerwG der Bund in die Pflicht genommen wird. "Wenn es nach unseren Wünschen und Plänen geht, hoffen wir, dass das Gericht sagt, der Bund muss endlich eine blaue Plakette einführen", sagte Hermann am Donnerstag im Deutschlandfunk. Andernfalls käme es zu einem "Flickenteppich an Regelungen und Beschränkungen" in den einzelnen Kommunen. Das sei aber etwa für Stuttgart schwierig, da einzelne Straßen nicht einfach gesperrt werden könnten. "Wir haben hier eine topografische Situation, die nicht viele Ausweichmöglichkeiten bietet." 

Die bisherigen Maßnahmen in Baden-Württemberg hätten zuletzt schon für einige Verbesserungen gesorgt. Aber: "Wir haben vor allem Rückschläge, weil der Bundesgesetzgeber auch zugelassen und wenig überprüft hat, dass die Euro-5-Diesel sehr viel schlechter sind, als auf dem Papier steht", so der Minister. Eigentlicher Verursacher des Problems seien also letztlich die Autohersteller, "die sich jetzt einen schlanken Fuß machen und sagen, der Staat muss, wenn schon, auch noch die Nachrüstung bezahlen". Ansonsten drohe ein "Fleckenteppich" in Deutschland mit unterschiedlichsten Regelungen. Das Urteil des BVerwG soll am 27.02.2018 verkündet werden*.

dpa/hs/LTO-Redaktion

Update, 22.02.2018, , 15:50h (pl)

Zitiervorschlag

Verhandlung vor dem BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 22.02.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27155 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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