Maskendeals, Aserbaidschan-Affäre, Amthor-Fall: Immer wieder rütteln Korruptionsskandale auf. Die Politik hat Gesetzesverschärfungen angekündigt - aber wie sollen die aussehen? Eine junge Arbeitsgruppe hat einen Vorschlag.
Immer wieder lösen Korruptionsaffären in der Politik schwere Vertrauenskrisen aus. Denn nicht selten werden Machtpositionen wie der Abgeordnetenstatus für private Vorteile genutzt. So jüngst geschehen in der "Maskenaffäre" um Georg Nüßlein und Alfred Sauter, mit der sich der BGH im vergangenen Jahr beschäftigt hatte. Der Ex-Bundestagsabgeordnete und der bayerische Ex-Justizminister Sauter sollen für die Vermittlung von Corona-Maskengeschäften im Jahr 2020 viel Geld bekommen haben. Den Ermittlungen zufolge hatten sie auf Anregung eines Privatunternehmers gegen ein Entgelt in Höhe von 660.000 Euro bzw. 1,2 Millionen Euro ihre Autorität und ihren Einfluss als Abgeordnete genutzt und bei verschiedenen Bundes- und Landesbehörden auf den Abschluss von Kaufverträgen über Masken des Unternehmers hingewirkt.
Ebenfalls wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern hatte die Staatsanwaltschaft im Jahr 2020 auch Ermittlungen in der sog. "Aserbaidschan-Affäre" aufgenommen. Im Fokus der Untersuchungen standen Korruptionsvorwürfe gegen die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten Eduard Lintner und Karin Strenz, die für Lobbytätigkeiten zugunsten Aserbaidschans erhebliche Geldsummen von dem Staat angenommen haben sollen. Sowohl Strenz als auch Lintner sollen dafür bezahlt worden sein, um in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) die Interessen Aserbaidschans zu vertreten.
Als Hauptfigur in der August-Intelligence-Affäre wurde es kurz darauf dann auch für den CDU-Abgeordneten Philipp Amthor ungemütlich. Im Juni 2020 wurde bekannt, dass Amthor in einem Schreiben an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier das IT-Unternehmen gelobt und um politische Unterstützung gebeten hatte – auf Briefpapier des Bundestages. Das Problem: Als Inhaber eines Direktorenpostens und zahlreicher Aktienoptionen profitierte er vom Erfolg des Unternehmens.
Handlung des Abgeordneten nicht "bei Wahrnehmung seines Mandates"
Diesen und ähnlich gelagerten Fällen ist gemeinsam: Es geht um Geld, Missbrauch von Macht und Vertrauen – und sie ziehen bislang keine strafrechtlichen Konsequenzen nach sich. Denn eine Strafbarkeit nach § 108e Strafgesetzbuch (StGB), der die Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern regelt, kommt in seiner aktuellen Fassung nicht in Betracht. § 108e StGB setzt voraus, dass das Parlamentsmitglied eine Handlung "bei Wahrnehmung seines Mandates" vornimmt oder unterlässt.
Es komme auf das Wirken im Parlament, also im Plenum, in den Ausschüssen oder sonstigen parlamentarischen Gremien einschließlich der Fraktionen oder in mit Abgeordneten besetzten Kommissionen, an. Es genügt nicht, wenn sich ein Mandatsträger bei außerparlamentarischen Betätigungen auf seinen Status beruft oder seine als Parlamentsmitglied geknüpften Beziehungen ausnutzt. Dadurch entstehen die in den Korruptionsaffären deutlich zum Vorschein getretenen Strafbarkeitslücken.
Die konstatierte auch der BGH in seiner Nüßlein-Entscheidung. Der Gesetzgeber habe er sich dagegen entschieden, das außerparlamentarische Wirken des Mandatsträgers durch §108e StGB zu erfassen - "selbst wenn die hier zu beurteilenden Handlungen ähnlich strafwürdig erscheinen mögen wie das vom Gesetz pönalisierte Verhalten", so der BGH. Auch wenn der Gesetzgeber derzeit keinem rechtlich zwingenden Handlungsdruck unterliegt: spätestens nach der Rüge durch den BGH sucht die Politik nach einer Lösung.
Auch verschiedenen Richtungen kommen Vorschläge, so etwa von der Organisation Transparency Deutschland, die anstelle des Gesetzestextes "bei Wahrnehmung seines Mandates" die Formulierung "unter missbräuchlicher Ausnutzung der Stellung als Mandatsträger" vorschlägt.
DICO: Erweiterung des § 108e StGB führt zu Überkriminalisierung
Ein weiterer Vorschlag kommt nun von den politischen Jugendorganisationen aller im Bundestag vertretenen Parteien mit Ausnahme der AfD. Der Vorschlag ist unter der Schirmherrschaft der Arbeitsgruppe "Compliance in der Politik" des Deutschen Instituts für Compliance e.V. (DICO) entstanden – geleitet von Michael Kubiciel und Georg Gößwein. Ähnlich wie zuvor die Rechtswissenschaftler Till Zimmermann und Frank Zimmermann im Verfassungsblog, will auch der DICO-Vorschlag keine gravierende Änderung des bisherigen § 108e StGB, sondern die Schaffung eines neuen Tatbestands.
Denn eine grundlegende Erweiterung des § 108e StGB durch Ersetzung des Tatbestandsmerkmal der mandatsbezogenen Handlung durch die Wendung "im Zusammenhang mit der Ausübung des Mandats", berge die Gefahr der Überkriminalisierung, heißt es in der Ausarbeitung. Damit käme die Vorschrift des § 108e StGB – ein Verbrechen – der deutlich weiter gefassten und milder bestraften Vorteilsannahme und -gewährung aus §§ 331 ff. StGB zu nahe.
Aber auch mit Untätigbleiben und einem Verweis auf das nicht-strafrechtliche Sanktionsprogramm der Verwaltung des Bundestages, mit dem auf Verstöße gegen das Abgeordnetengesetz reagiert werden kann, sei es nicht getan. Zum einen sei das Programm nur auf Bundestagsabgeordnete, nicht jedoch auf Landtags- oder EU-Parlamentsabgeordnete anwendbar. Zum anderen verfügten die Parlamentsverwaltungen auch nicht über die strafprozessualen Möglichkeiten, die für Ermittlungen in Verdachtsfällen notwendig seien.
Schaffung eines neuen § 108f StGB als Mittelweg
Daher plädiert die Arbeitsgruppe für eine Trennung der Mandatsträgerbestechung/-bestechlichkeit im engeren Sinne und einer Pönalisierung pflichtwidriger Vorteilsgewährung/-annahme in einem neuen § 108f StGB. Das heißt: Zum einen soll § 108e StGB als Verbrechenstatbestand, erhalten bleiben und weiterhin die besonders schwerwiegende Form der politischen Korruption bestrafen: die korrupte Wahrnehmung des Mandates in seiner zentralen Funktion, und zwar in der Ausübung parlamentarischer Rechte und Aufgaben.
Zum anderen soll mit § 108f StGB ein neuer Straftatbestand mit dem Namen "Pflichtwidrige Vorteilsgewährung und Vorteilsannahme" eingeführt werden. Dieser soll die Integrität des Mandats in einem weiteren, also über die parlamentarische Arbeit im engeren Sinne hinausgehenden Umfang schützen und damit Fälle wie Maskendeals zu erfassen. Im Gegensatz zu § 108e StGB würde es sich aber nicht um ein Verbrechen, sondern nur um ein Vergehen handeln, das heißt die Mindeststrafe soll unter einem Jahr liegen. Der Tatbestand könnte in seinem Absatz 1 nach dem Vorschlag der DICO wie folgt lauten:
"(1) Wer als Mitglied einer Volksvertretung des Bundes oder der Länder einen ungerechtfertigten Vorteil im Sinne des § 108e StGB für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er unter Verletzung seiner Pflichten als Mitglied einer Volksvertretung eine Handlung vorgenommen oder unterlassen hat oder künftig vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu drei Jahren bestraft."
Dieser § 108f StGB n.F. sei dem Entwurf zufolge einerseits weiter als § 108e StGB, da er auch außerparlamentarisches Verhalten und Vorteile erfasse. Andererseits sei er aber enger, weil er ausdrücklich auf die Verletzung spezifischer Pflichten abstelle, wie sie etwa im Abgeordnetengesetz (AbgG) spezifiziert sind. Diese engere Fassung solle verhindern, dass die mit der Mandatsausübung notwendig verbundene Vertretung von Einzelinteressen vorschnell Gegenstand von Ermittlungen werde.
Maskendeals nach neuem Vorschlag klar strafbar
In Anlehnung an die Entscheidung des BGH sei also entscheidend, ob der Abgeordnete in Wahrnehmung des Mandats handelt (dann § 108e StGB) oder ob er in der Eigenschaft als außerparlamentarischer Volksvertreter den Vorteil erhält bzw. ihm dieser versprochen wird. Verletzt er zusätzlich durch die Annahme des Vorteils oder die Entgegennahme des Versprechens seine Pflichten, insbesondere diejenigen in § 44a Abgeordnetengesetz (AbgG) ist der Tatbestand des vorgeschlagenen § 108f n. F. StGB erfüllt.
Damit wäre mit der Neuregelung nun etwa die Vermittlung von Deals für die Bundesregierung gegen Provision klar strafbar. Denn in § 44a Abs. 3 S. 1 AbgG wird jede entgeltliche Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung verboten, die "neben dem Mandat" erfolgt. Im Hinblick auf viele weitere umstrittene Abgeordnetentätigkeiten, wie etwa entgeltliche Beratungstätigkeiten für Firmen, wäre die Rechtslage hingegen nicht so eindeutig. Denn auch im Abgeordnetengesetz finden sich insoweit der Passus, dass bestimmte Tätigkeiten "nur in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mandatsausübung" verboten sind.
Ob der Gesetzgeber angesichts vorliegender Vorschläge nun in den Handlungsmodus übergeht, ist eher unwahrscheinlich. Denn für weiteres Abwarten ist eine Ausrede vorhanden. Und zwar die Frage, in welcher Form die Anfang Mai 2023 von der Europäischen Kommission vorgeschlagene Richtlinie zur Bekämpfung der Korruption in Kraft tritt und welche Folgen sich daraus für den Reformbedarf der mandatsträgerbezogenen Korruption ergeben.
Die Arbeitsgruppe "Compliance in der Politik" besteht aus Vertreterinnen und Vertreter der Grünen Jugend, der Jungen Liberalen, der Jungen Union, der Jusos in der SPD und der links jugend [‘solid] unter Federführung des Deutschen Insituts für Compliance e.V. (DICO). Geleitet wurde die Arbeitsgruppe von den DICO Mitgliedern Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Kubiciel, Georg Gößwein, sowie Dr. Reiner Markfort.
Jugendorganisationen von Parteien unterbreiten Vorschlag: . In: Legal Tribune Online, 11.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52463 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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