Vieles wird sich ändern nach den Beschlüssen des Bundesrates vom Freitag. Das Ausländerrecht wird zugleich verschärft und gemildert, die IT-Sicherheit und die Gesundheitsvorsorge gestärkt, Politiker in der Wirtschaft werden gebremst.
Der Bundesrat billigte am Freitag gleich mehrere wichtige und umstrittene Gesetze: Eine umfassende Reform des Aufenthaltsgesetzes, neue Regeln zur Erhöhung der Sicherheit informationstechnischer (IT-) Systeme in sogenannten kritischen Infrastrukturen wie Krankenhäusern oder Banken, ein Präventionsgesetz für eine verbesserte Gesundheitsvorsorge und mehr Impfschutz sowie eine verpflichtende Karenzzeit von 18 Monaten für Regierungsmitglieder beim Seitenwechsel in die Privatwirtschaft. Außerdem wird das Paternoster-Verbot wieder entschärft und das Kindergeld erhöht. Und schließlich erhält das Deutsche Institut für Menschenrechte eine gesetzliche Grundlage.
Alle Gesetze werden nun dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zugeleitet und sollen am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft treten.
Integrierte Ausländer bleiben, die anderen müssen gehen
Ausgeweitetes Bleiberecht für gut integrierte Ausländer, aber auch schärfere Regeln bei der Abschiebung: Ausländer, die bislang nur geduldet sind, dürfen in Zukunft längerfristig in Deutschland bleiben, wenn sie schon seit einigen Jahren hier leben, die Sprache gut beherrschen und ihren Lebensunterhalt selbst sichern können. Menschen, die keinerlei Aussicht auf ein Aufenthaltsrecht haben, sollen dagegen schneller als bisher abgeschoben werden.
In Deutschland leben derzeit mehr als 125.000 Geduldete, also Menschen, deren Asylantrag keinen Erfolg hatte, die aus verschiedenen Gründen aber nicht abgeschoben werden. Die Regierung will ihnen nun mehr Chancen auf ein sicheres Bleiberecht geben. Nach Schätzungen der Bundesregierung könnten mehrere Zehntausend Menschen von der neuen Regelung profitieren. Junge Ausländer ohne Aufenthaltstitel haben Aussicht auf eine verlängerte Duldung, wenn sie in Deutschland eine Ausbildung machen.
Kritik - insbesondere von Flüchtlingsorganisationen - gibt es vor allem an der Neuordnung des Ausweisungsrechts. Behörden bekommen mehr Möglichkeiten, Aufenthalts- und Einreiseverbote zu verhängen. Zur Abwicklung von Abschiebungen wird ein neuer "Ausreisegewahrsam" eingeführt, bei dem Menschen kurz vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage festgehalten werden können. Im Gesetz werden außerdem zahlreiche Gründe für die Anordnung von Abschiebehaft festgeschrieben.
Neues IT-Sicherheitsgesetz
Krankenhäuser, Banken oder Telekommunikationsanbieter sollen sich in Zukunft besser vor Cyberangriffen schützen. Das neue IT-Sicherheitsgesetz soll Betreiber solcher "kritischen Infrastrukturen" verpflichten, Attacken auf ihre Computer-Systeme unverzüglich dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden. Tun sie das nicht, droht ein Bußgeld von bis zu 100 000 Euro. Die Meldepflicht wird nach Schätzung der Regierung etwa 2000 Unternehmen betreffen.
"Kritische Infrastrukturen" sind Einrichtungen und Netze, die wesentlich für das öffentliche Leben sind und deren Störung oder Ausfall drastische Folgen haben würde. Darunter fallen Energie- oder Telekommunikationsnetze, Banken, Börsen, Versicherungen, Verwaltungsbehörden oder Einrichtungen zur medizinischen Versorgung, aber auch Verkehrsbetriebe oder Wasserversorger.
Solche Firmen aus sensiblen Bereichen sollen künftig Mindeststandards zur IT-Sicherheit für ihre Branche festlegen, die das BSI absegnen muss. Auch Bundesbehörden müssen Mindestanforderungen zum Schutz ihrer Computer-Systeme erfüllen, die das BSI vorgibt.
Die zuständigen Behörden - unter anderem BSI, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz - bekommen außerdem zusätzliches Geld und Personal, um sich um die IT-Sicherheit in Deutschland zu kümmern.
Gesetz für mehr Gesundheitsvorsorge und Impfschutz
Außerdem billigte der Bundesrat ein Präventionsgesetz für eine verbesserte Gesundheitsvorsorge und mehr Impfschutz für die 70 Millionen Krankenversicherten. Die Gesundheitsförderung soll direkt im Lebensumfeld der Versicherten gestärkt werden, etwa in der Kita, der Schule, am Arbeitsplatz und im Pflegeheim.
Insgesamt sollen die gesetzlichen Krankenkassen vom kommenden Jahr an
7 Euro statt bislang 3,09 Euro pro Versichertem und Jahr für Gesundheitsförderung ausgeben. Die jährlichen Mehrkosten zulasten der Kranken- und Pflegekassen werden auf mehr als 300 Millionen Euro veranschlagt.
Alle Ärzte, auch Betriebsärzte, können nun Patienten impfen und dies mit der Krankenkasse abrechnen. Ein Patient darf nicht abgewiesen werden, wenn er eine nötige Schutzimpfung wünscht. Vor dem Kita-Eintritt eines Kindes muss eine ärztliche Impfberatung nachgewiesen werden. Bei jeder Gesundheitsuntersuchung von Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen soll es eine Impfberatung geben und nötigenfalls auch eine Impfung. Bis zum 18. Lebensjahr erhalten Jugendliche eine zusätzliche Gesundheitsuntersuchung.
Behörden wie Gesundheitsämter können ungeimpfte Kinder und Erwachsene künftig beim Auftreten von Masern zudem vom Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen vorübergehend ausschließen. Ein Impfzwang wird damit aber nicht eingeführt.
Heute im Bundesrat: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16183 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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