Die Bundesregierung will 2021 die meisten Steuerzahler vom "Soli" entlasten. Der Bund der Steuerzahler meint, dass die Abgabe schon im kommenden Jahr verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen sei.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt) will mit einer Klage erreichen, dass der umstrittene Solidaritätszuschlag schon 2020 nicht mehr gezahlt werden muss. Die Bundesregierung hatte sich am Mittwoch darauf geeinigt, den sog. Soli 2021 weitgehend abzuschaffen. Rund 90 Prozent der bisherigen Soli-Zahler sollen entlastet werden, Spitzenverdiener sollen die Abgabe allerdings ganz oder teilweise weiterhin bezahlen.
Der Verband unterstützt deshalb nach eigenen Angaben die Klage eines Ehepaars vor dem Finanzgericht (FG) Nürnberg, die sich gegen die vom Finanzamt festgesetzte Steuervorauszahlung für das Jahr 2020 richte. Der BdSt will erreichen, dass der Zuschlag schon vollständig abgeschafft wird, wenn die Aufbauhilfen für Ostdeutschland enden. "Die Politik hat den Soli immer mit den Finanzhilfen für die neuen Länder verknüpft. Diese laufen zum Jahresende aus, so dass die Begründung für die Ergänzungsabgabe entfällt", erklärt BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Der Soli habe damit keine Legitimation mehr.
Betreut wird die Klage ausgerechnet von Rechtsanwalt Michael Sell. Er war bis vor einem Jahr Abteilungsleiter für direkte Steuern im Bundesfinanzministerium, die meiste Zeit unter Wolfgang Schäuble (CDU), bevor der 2018 angetretene Finanzminister Olaf Scholz (SPD) die Stelle neu besetzte.
Bund: Wiedervereinigung muss weiter finanziert werden
Das 1995 verabschiedete Solidaritätszuschlagsgesetz sieht vor, dass der Soli als "Ergänzungsabgabe" zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer erhoben wird. Das Gesetz ist nicht befristet und sieht auch keine Zweckbindung vor, die Einnahmen fließen in den Bundeshaushalt. Der Soli wird allerdings politisch mit dem "Solidarpakt II", den Finanzhilfen für die neuen Länder, in Verbindung gebracht. Der Solidarpakt II läuft dieses Jahr aus.
Der BdSt argumentiert, eine "Ergänzungsabgabe" dürfe nicht dauerhaft erhoben werden. Außerdem sei eine solche Abgabe nur zu rechtfertigen, wenn sie "ausschließlich als letztes Mittel in außergewöhnlichen Haushaltssituationen" eingesetzt werde.
Im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Abschaffung des Soli in zwei Jahren heißt es, der Bund habe "weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten zusätzlichen Finanzierungsbedarf, etwa im Bereich der Rentenversicherung, beim Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz, für den Arbeitsmarkt sowie für andere überproportionale Leistungen aus dem Bundeshaushalt für die ostdeutschen Bundesländer." Dennoch solle der Solidaritätszuschlag "nunmehr in einem ersten Schritt zu Gunsten niedriger und mittlerer Einkommen zurückgeführt werden."
FDP will Bundesverfassungsgericht einschalten
Die Pläne der Bundesregierung stoßen auch deshalb auf Kritik, weil der Soli für einen kleinen Teil der bisherigen Zahler nicht abgeschafft werden soll. Die bisherige Freigrenze, bis zu der kein Soli anfällt, soll deutlich angehoben werden.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner hatte bereits Anfang des Jahres angekündigt, notfalls vor das Bundesverfassungsgericht zu gehen, falls der Soli nicht bald abgebaut werde. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte am Mittwoch gegenüber der Deutschen Presseagentur: "Wird der Soli nicht bis Ende 2019 komplett abgeschafft, ist das rechtswidrig. Das bestätigen auch unabhängige Experten wie der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier." Buschmann fügte hinzu, sollte sich die große Koalition nicht noch in letzter Minute besinnen, "werden die Gerichte das regeln müssen".
Papier hatte im März dieses Jahres ein Gutachten für die FDP-Bundestagsfraktion erstellt. Darin heißt es, das Solidaritätszuschlagsgesetz in seiner aktuellen Fassung sei "jedenfalls mit dem Ende des Solidarpakts II verfassungsrechtlich nicht mehr zu rechtfertigen." Ein bloßes "Abschmelzen" der Ergänzungsabgabe reiche nicht aus, um "den evidenten Legitimationsverlust verfassungsrechtlich noch hinzunehmen."
Bundesfinanzminister Scholz sagte dem ARD-Morgenmagazin am Mittwoch, er wolle erst in der nächsten Legislaturperiode darüber entscheiden, wie lange der Soli für Topverdiener noch beibehalten werde. Er sei sich außerdem "sehr sicher", dass das Bundesverfassungsgericht ihm keinen Strich durch die Rechnung machen werde. Karlsruhe habe schließlich schon mehrfach zum Soli entschieden und die bisherige Freigrenze für zulässig erachtet – die neue werde "es dann wohl auch sein".
aka/LTO-Redaktion
Bund der Steuerzahler stößt Klage an: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37211 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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