Allein die lange Dauer eines Gerichtsverfahrens kann noch keinen Entschädigungsanspruch begründen, teilte das BSG am Mittwoch mit. Es musste in mehreren Fällen entscheiden, ob Verfahren unnötig in die Länge gezogen wurden. Dabei zeigten die Richter Verständnis für mögliche Überlastung in den unteren Instanzen. Ewig Zeit dürften sich die Gerichte aber auch nicht lassen.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Mittwoch in mehrere Verfahren über mögliche Entschädigungsansprüche entschieden. Die Kläger wollen ihr jeweiliges Bundesland in Anspruch nehmen, weil die zuständigen Sozialgerichte ungewöhnlich viel Zeit für die Bearbeitung ihrer Fälle aufgewendet hätten. Dies ist nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) möglich. Für einen möglichen Entschädigungsanspruch waren zunächst die Landessozialgerichte zuständig. Das BSG hat sämtliche Entscheidungen aufgehoben und an die Gerichte zurückverwiesen.
Die Richter in Kassel stellten klar, dass es keine pauschale Höchstgrenze bezüglich der Dauer eines Verfahrens geben dürfe. Man müsse alle Umstände des Einzelfalls beachten. Dabei zeigte das BSG Verständnis für mögliche überlastete Richter. Auch bei diesen habe der Tag nur 24 Stunden, teilte das Gericht mit. Das dürfe aber keinen Einfluss darauf haben, wann ein Verfahren als zu lang angesehen wird. Das Risiko einer überlasteten Justiz trage das Bundesland. Allerdings müsse dieses auch im Hinblick auf begrenzte Haushaltsmittel darauf achten, dass nicht zu viele, aber auch nicht zu wenige Richter eingestellt würden.
Pauschale Vorbereitungszeit von 12 Monaten ist angemessen
Das BSG gestand den Richtern eine pauschale Vorbereitungs- und Bedenkzeit von bis zu zwölf Monaten je Instanz zu. Dies müsse regelmäßig als angemessen angesehen werden. Lägen vertretbare Umstände vor, so dürfe diese Zeitspanne aber auch überschritten werden. Denn auch das Verhalten des Klägers selbst oder anderer Beteiligter habe Einfluss auf die Länge des Verfahrens. Das habe dann das Gericht nicht zu vertreten. Rein schematisch könne man die Frage, ab wann ein Verfahren zu lang ist, also nicht beantworten.
Und so entschieden die Kasseler Richter auch jeden der am Mittwoch zu entscheidenden Fälle differenziert, hoben allerdings alle vorinstanzlichen Urteile auf und verwiesen die Sachen zurück zu den Entschädigungsgerichten. In einem Verfahren über die Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld (Az. B 10 ÜG 2/13 R) sei etwa nicht akzeptabel, dass dieses ohne erkennbaren Grund über Jahre ausgesetzt worden sei. Hier sei die Grenze des gerichtlichen Spielraums, Verfahren zu gestalten, klar überschritten. Sollten überlastete Richter der Grund hierfür gewesen sein, so habe dies das Land zu verantworten.
In einem anderen Fall (Az. B 10 ÜG 12/13 R) hatte das Gerichtsverfahren mehr als fünf Jahre gedauert. Es ging um Opferentschädigung durch den Staat. Ein Polizeibeamter klagte, er sei von einem Kollegen mit der Waffe bedroht worden. Das zuständige Gericht habe zu Unrecht zwei Jahre auf den Ausgang eines parallel laufenden Verfahrens gewartet, von dem es sich medizinische Erkenntnisse erhofft hatte, entschied das BSG hierzu. Denn diese seien im vorliegenden Fall gar nicht entscheidend gewesen.
una/LTO-Redaktion
BSG zu langer Verfahrensdauer: . In: Legal Tribune Online, 05.09.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13077 (abgerufen am: 16.11.2024 )
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