Wer in Deutschland kein Aufenthaltsrecht besitzt, soll auch keine Sozialleistungen erhalten - so will es der Gesetzgeber. Im Einzelfall kann aber trotzdem ein Anspruch auf Sozialhilfe bestehen, bestätigt nun nochmals das BSG.
Auch EU-Ausländern ohne Aufenthaltsrecht kann ein Anspruch auf Sozialhilfe zustehen. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) auf die Revision eines arbeitslosen in Deutschland lebenden Italieners hin bestätigt (Urt. v. 09.08.2018, Az. B 14 AS 32/17 R).
Der 1966 geborene Mann war Ende 2012 ohne Arbeit nach Deutschland gekommen und hatte am 15.2.2013 beim Jobcenter des Bezirksamts Treptow-Köpenick in Berlin Arbeitslosengeld II (ALG II) - auch bekannt als Hartz IV - beantragt. Der Antrag wurde mit Verweis auf § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) abgelehnt, weil er kein Aufenthaltsrecht besitze.
Der Mann klagte gegen die Entscheidung und bekam zunächst vor dem Berliner Sozialgericht (SG) recht, das ihm für den Zeitraum ab Februar 2013 Arbeitslosengeld zusprach. Das Landessozialgericht (LSG) hob die Entscheidung allerdings wieder auf und wies auch den hilfsweise beantragten Anspruch auf Sozialhilfe zurück. Dabei stellte man sich ausdrücklich gegen die bis dato geltende Rechtsprechung des BSG.
LSG wich von BSG-Rechtsprechung ab
Danach gilt, dass auch Personen ohne Aufenthaltsrecht theoretisch Zugang zu Sozialhilfeleistungen haben müssen. Das BSG hatte dabei zwar einen Rechtsanspruch verneint und die Gewährung der Leistungen in das Ermessen des zuständigen Trägers gestellt. Das Ermessen sei aber wegen der grundrechtlichen Verbürgungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz auf Null reduziert, wenn der Aufenthalt der betreffenden Person bereits verfestigt sei.
Somit wandte sich der Mann aus Italien schließlich im Wege der Revision an das BSG und berief sich auf eine Verletzung seiner Menschenwürde und des Sozialstaatsprinzips aus Art. 1, 20 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Auch vor dem BSG fand er für sein ursprünliches Begehren ebenfalls kein offenes Ohr. Ein Anspruch auf ALG II stehe ihm nicht zu, urteilte der 14. Senat am Donnerstag. Für die ersten drei Monate des Aufenthalts in Deutschland folge das aus § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II, weil er weder über eine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitnehmer oder Selbständiger verfügt habe. In der Zeit danach sei der Anspruch vom Ausschluss von EU-Ausländern nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II aF gehindert.
Ermessen könnte auf Null reduziert sein
Allerdings, so die Kasseler Richter, sei das LSG fälschlicherweise davon ausgegangen, dass dem Mann auch keine Sozialhilfe zustehe, die er hilfsweise beantragt hatte. Diese sei für ihn zwar grundsätzlich auch ausgeschlossen, könne aber über die Ausnahmevorschrift in § 23 Abs 1 Satz 3 SGB XII zu gewähren sein. Diese sieht vor, dass auch an Ausländer Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist.
Ob das der Fall ist, muss schließlich im Rahmen einer Ermessensentscheidung durch das Jobcenter festgestellt werden. Gerichte können diese nur eingeschränkt überprüfen, etwa wenn besondere Umstände eine Ermessensredudzierung auf Null bedingen. Da sich aus dem vom LSG festgestellten Sachverhalt aus Sicht des BSG-Senats nicht ergab, ob das hier der Fall sein könnte, konnte über die Sache nicht abschließend entschieden werden. Dies ist somit nun erneut Aufgabe des LSG.
mam/LTO-Redaktion
BSG zu Sozialleistungen für EU-Ausländer: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30271 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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