Wer den Flug nicht antritt, kann die Kosten zurückverlangen, die die Airline aufgrund der Nichtbeförderung erspart hat, so der BGH in einem für Billigflieger interessanten Urteil, bei dem es diesmal nicht um EU-Fluggastrechte geht.
Tritt ein Fluggast den Flug trotz bestehender Buchung einfach nicht an, kann er von der Fluggesellschaft diejenigen Flugnebenkosten zurückverlangen, die diese durch den Nichtantritt erspart hat. Dies gilt selbst dann, wenn die Fluggesellschaft diese Aufwendungen nicht in die Ticketpreise einkalkuliert hat, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einer nun veröffentlichten Leitsatzentscheidung (Urt. v. 01.08.2023, Az. X ZR 118/22).
Im vorliegenden Fall hatte der Fluggast einen Flug vom Allgäu Airport in Memmingen auf die griechische Insel Kreta gebucht. Für das Ticket hatte er 27,30 Euro gezahlt – ein Schnäppchen. Doch als es losging, erschien er nicht am Abfluggate; das Flugzeug hob ohne ihn ab. Einen Rücktritt oder eine Kündigung von der Buchung im Vorfeld hatte es nicht gegeben. Dennoch wollte der Mann Geld zurück, und zwar diejenigen Kosten, die die Fluggesellschaft dadurch erspart hat, dass sein Sitz unbesetzt blieb. Das betraf hier Steuern, Gebühren und Entgelte in Höhe von insgesamt 18,41 Euro, also gut zwei Dritteln des Ticketpreises.
Kosten, die nur bei Beförderung anfallen, sind zurückzuerstatten
Die irische Fluggesellschaft sah das nicht ein und verweigerte die Zahlung. Der Fluggast trat seinen Anspruch an einen Dienstleister ab, der die anteilige Erstattung des Ticketpreises vor Gericht einklagte. Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Memmingen gaben der Klage statt. Nun bestätigte der BGH die Urteile und bejahte einen Anspruch auf Rückzahlung des zu viel bezahlten Teils gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Der Grund für diese Entscheidung liegt im Werkvertragsrecht. Dass die Beförderung mit dem Flugzeug eine Werkleistung ist, entspricht ständiger Rechtsprechung. Und das Werkrecht hält in § 648 BGB eine für manche vielleicht überraschende Regelung bereit: Gemäß Satz 1 kann der Besteller des Werkes, hier der Fluggast, "bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen". Dies sei hier durch das bloße Nichtantreten des Fluges konkludent geschehen, so der BGH.
Allerdings – das ist dann weniger überraschend – kann der Werkunternehmer, hier die Fluggesellschaft, die Vergütung gemäß Satz 2, 1. Halbsatz trotzdem verlangen. "Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart", so der zweite Halbsatz, um den es im vorliegenden Fall ging. Dies gelte auch für Flugnebenkosten, die die Fluggesellschaft pro beförderter Person abführt, die also dann nicht anfallen, wenn der Sitz leer bleibt. Bis hierhin bestätigte der BGH lediglich seine eigene Rechtsprechung aus dem Jahr 2016.
Preiskalkulation spielt keine Rolle
Neu ist an der vorliegenden Entscheidung, dass diese Grundsätze auch dann gelten sollen, wenn die Fluggesellschaft diese von der tatsächlichen Beförderung abhängigen Kosten nicht in ihre Preiskalkulation einbezogen und entsprechend ausgewiesen hat. Weder sehe der Wortlaut des Gesetzes eine solche Differenzierung vor, noch sei sie aus anderen Gründen geboten. Die Airline müsse zwar vor den Nachteilen der Kündigung geschützt werden, dürfe aber auch keine Vorteile erhalten, die sie bei Vertragserfüllung nicht gehabt hätte. Dürfte die Fluggesellschaft den vollen Preis für das Ticket behalten, obwohl ihr durch den Nichtantritt der Reise Kosten erspart geblieben sind, stünde sie aber besser als ohne die Kündigung des Fluges.
Daran ändere sich auch nichts, wenn die Airline ihre Preise deswegen so niedrig ansetzt, weil sie damit rechnet, mit dem Verkauf von Speisen und Getränken oder der Vermittlung von Mietwagen und Unterkünften noch weitere Umsätze zu generieren. Dass es zum Abschluss solcher Zusatzgeschäfte kommt, sei nicht sicher. Deswegen ließen sich diese Geschäfte nicht einem konkreten Fluggast zuordnen, sodass für die Schätzung möglicher entgangener Gewinne durch die Kündigung kein Raum sei.
Nun erhält der Fluggast also zwei Drittel des Preises zurück. Das Urteil dürfte vor allem für Billigflüge relevant sein, da Steuern und Gebühren hier häufig einen Großteil des Gesamtpreises ausmachen.
lmb/mk/LTO-Redaktion
BGH stärkt Geltung des Werkvertragsrechts bei Flugreisen: . In: Legal Tribune Online, 17.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52501 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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