Eine intersexuelle Person ist mit dem Versuch gescheitert, im Geburtenregister einen neuen Eintrag wie "inter" oder "divers" zu erlangen. Dies sei nach geltendem Recht nicht möglich und verfassungsrechtlich nicht geboten, entschied der BGH.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass das Personenstandsgesetz (PStG) eine Eintragung wie "inter" oder "divers" als Geschlechtsangabe im Geburtenregister nicht zulässt (Beschl. v. 22.06.2016, Az. XII ZB 52/15). Lediglich die Löschung des bisher eingetragenen Geschlechts sei nachträglich möglich.
Die antragstellende Person Vanja wurde 1989 als Mädchen in das Geburtenregister eingetragen, sieht sich aber weder als Frau noch als Mann. Sie verfügt über einen Chromosomensatz mit einem X-Chromosom und einem fehlenden zweiten Gonosom. Sie begehrte daher eine Änderung der Eintragung im Geburtenregister, was vom Amtsgericht (AG) Hannover und vom Oberlandesgericht (OLG) Celle jedoch zurückgewiesen wurde (Beschl. v. 13.10.2014, Az. 85 III 105/14 und Beschl. v. 21.01.2015, Az. 17 W 28/14).
Wer weder Mann noch Frau ist, kann Eintragung löschen lassen - aber nicht ersetzen
Ihre Rechtsbeschwerde hatte nun auch beim BGH keinen Erfolg. Eine Änderung der Eintragung in "inter" oder "divers" sei nach geltendem Recht nicht möglich, entschieden die Karlsruher Richter. Das folge bereits aus dem Wortlaut der § 21 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 22 Abs. 3 PStG. Auch eine verfassungskonforme Auslegung der Norm im Sinne des Begehrens der antragstellenden Person sei nicht geboten.
Seit einer Reform des § 22 Abs. 3 Personenstandsgesetz ist es möglich, das Geschlecht eines Babys offen zu lassen, wenn eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist. Auch eine nachträgliche Löschung des zunächst eingetragenen Geschlechts ist seit dem 1. November 2013 vorgesehenen. Von dieser Möglichkeit, die ihr offenstehe, beabsichtige die Antragstellerin aber augenscheinlich keinen Gebrauch zu machen, so der BGH. Mehr sei im binären Geschlechtersystem der deutschen Rechtsordnung aber nicht vorgesehen. Die Schaffung eines weiteren Geschlechts entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers.
Schließlich macht es nach dem BGH für die betroffene Person im Ergebnis keinen - verfassungsrechtlich bedeutsamen - Unterschied, ob ein geschlechtszuordnender Eintrag unterbleibt oder - wie hier begehrt - ein Eintrag erfolgt, der keinem gesetzlich bestehenden "Geschlecht" zugeordnet werden kann, also rein deklaratorischer Natur wäre.
Einführung eines 3. Geschlechts würde erhebliche Umstellungen erfordern
Die Frage, in welcher Weise der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten ist, der Situation der intersexuellen Menschen durch eine Änderung des Familienrechts Rechnung zu tragen, sei in diesem Verfahren nicht zu prüfen, weil es der Antragstellerin allein um die Eintragung ihres Geschlechts als "inter" oder "divers" im Geburtenregister geht. Deshalb hat der Senat auch nicht entschieden, ob sich die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Transsexualität auf Fälle der Intersexualität übertragen lässt. Zu bedenken sei dabei allerdings, so die BGH-Richter, dass anders als bei der Zuordnung zu einem schon bestehenden Geschlecht (wie im Falle der Transsexualität) durch die Schaffung eines weiteren Geschlechts staatliche Ordnungsinteressen in weitaus erheblicherem Umfang betroffen wären.
Die Unterstützerkreis Dritte Option will diese Entscheidung nicht akzeptieren und kündigte für Anfang September eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht an.
nas/dpa/LTO-Redaktion
BGH zu Intersexualität: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20210 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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