BGH zu Gesundheitsvorsorge bei Kindern: Im Zweifel für die Imp­fung

von Maximilian Amos

23.05.2017

Die Mutter fürchtete gesundheitliche Schäden bei ihrem Kind, sollten diesem die üblichen Schutzimpfungen verabreicht werden. Der BGH lässt deshalb den Vater entscheiden.

Die Vorbehalte gegen Schutzimpfungen bei Kindern sind in Teilen der Bevölkerung nach wie vor groß. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlässt sich hinsichtlich deren Gefährlichkeit lieber auf medizinische Standards, wie er in einem nun veröffentlichten Beschluss darlegte (Beschl. v. 03.05.2017; Az. XII ZB 157/16).

Ausgangspunkt war der Streit zwischen unverheirateten, getrennt lebenden Eltern eines 2012 geborenen Mädchens über die Notwendigkeit von Schutzimpfungen für ihre Tochter. Die Mutter stellte sich dagegen, da sie fürchtete, ihr Kind könne Opfer einer "unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft" werden.

Sie fürchtete Impfschäden und wollte die Impfungen nur durchführen lassen, wenn negative Folgen ärztlicherseits mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten. Der Vater des Kindes befürwortete unterdessen die Impfungen. Aufgrund dieses Streits beantragten die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern wechselseitig die Alleinübertragung der Gesundheitssorge für ihre Tochter.

Entscheidung über Impfung ist bedeutend

Das Amtsgericht Erfurt sprach daraufhin dem Vater das alleinige Entscheidungsrecht über Impfungen des Kindes zu. Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Mutter zum Oberlandesgericht hatte zur Folge, dass die Entscheidungsbefugnis auf Schutzimpfungen gegen Erkrankungen wie Tetanus, Diphtherie, Rotaviren, Masern, Mumps und Röteln beschränkt wurde. Dies focht die Mutter nun vor dem BGH mit einer Rechtsbeschwerde an.

Die Richter des XII. Zivilsenats hatten somit darüber zu befinden, ob der Mutter oder dem Vater die alleinige Entscheidung über die Impf-Frage übertragen werden sollte. Grundlage dafür ist § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Norm sieht vor, dass bei Uneinigkeit der erziehungsberechtigten Eltern über bedeutende Fragen das Familiengericht einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen kann. Wer sie bekommt, richtet sich im Wesentlichen danach, wessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.

Dazu stellte der Senat zunächst klar, dass es sich bei Fragen der Impfung nicht um alltägliche Entscheidungen handelt, welche im Fall von getrennt lebenden Elternteilen gemäß § 1687 Abs. 1 BGB demjenigen übertragen werden, bei dem sich das Kind aktuell aufhält. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegten die erhebliche Bedeutung, führten die Karlsruher Richter aus.

Kein Sachverständigengutachten nötig

In der Sache äußerten sie ebenfalls eine klare Meinung: Das OLG habe den Vater für die Entscheidung mit Recht als besser geeignet angesehen. Dabei verließ man sich darauf, dass die fraglichen Schutzimpfungen durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Deren Impfempfehlungen seien vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt worden (Urt. v. 15.02.2000, Az. VI ZR 48/99).

Neben dieser Indizwirkung sah man auch keine Einzelfallumstände gegeben, welche bei dem Kind besondere Impfrisiken begründen würden. Das OLG habe daher auf die Impfempfehlungen der STIKO als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen dürfen.

Der Skepsis der Mutter gegenüber Pharmaindustrie und Ärzteschaft maßen die Richter dagegen kein Gewicht bei. Jedenfalls gäbe sie keinen Anlass für die Einholung eines gesonderten Sachverständigengutachtens über allgemeine Impfrisiken.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Maximilian Amos, BGH zu Gesundheitsvorsorge bei Kindern: . In: Legal Tribune Online, 23.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23006 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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