Der BGH hat den ersten Fall zum Umgangsrecht des biologischen Vaters nach der gesetzlichen Neuregelung 2013 entschieden. Will der biologische Vater ein Umgangsrecht mit seinen Kindern, müssen die über ihre Abstammung aufgeklärt werden.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass die beharrliche Weigerung der rechtlichen Eltern, einen Umgang ihres Kindes mit seinem leiblichen Vater zuzulassen, allein nicht genügt, um ein Umgangsrecht des leiblichen Vaters abzulehnen (Beschl. v. 05.10.2016, Az. XII ZB 280/15).
Aus der Beziehung eines aus Nigeria stammenden Mannes und einer verheirateten Frau waren Ende 2005 Zwillinge hervorgegangen. Die Mutter lebte vor der Geburt aber bereits wieder mit ihrem Ehemann und den mit diesem gezeugten Kindern zusammen und zog anschließend auch die Zwillinge als Teil dieser Familie auf. Infolge der Regelung des § 1592 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) galt ihr Ehemann auch als rechtlicher Vater der Kinder, obwohl eine biologische Vaterschaft offenkundig bereits aufgrund der Hautfarbe nicht in Betracht kam.
Der leibliche Vater begehrte indes seit der Geburt Umgang mit den Zwillingen, was die Mutter und ihr Ehemann jedoch wiederholt abgelehnt haben. Auch vor Gericht hatte er keinen Erfolg: Ein Umgangsrecht des (lediglich) biologischen Vaters, der nicht in einer sozial-familiären Beziehung zu dem Kind stehe oder gestanden habe, sei im Gesetz nicht vorgesehen, entschied 2006 das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe (Urt. v. 12.12.2006, Az. 2 UF 206/06). Eine Verfassungsbeschwerde des Erzeugers blieb gleichfalls erfolglos (BVerfG, Beschl. v. 29.03.2007, Az. 1 BvR 183/07). 2010 stellte dann jedoch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) fest, dass die Versagung jeglichen Umgangs ohne eine Prüfung der Frage, ob ein solcher dem Kindeswohl dienlich wäre, eine Verletzung von Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) darstelle (Urt. v. 21.12.2010, Az. 20578/07).
Kinder nicht angehört, Blockadehaltung der Eltern nicht gewürdigt
2013 wurde daraufhin in Reaktion auf die Urteile des EGMR eine Neuregelung ins Gesetz eingefügt. Gemäß 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB hat der leibliche Vater seitdem ein Recht auf Umgang, sofern er ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat und der Umgang dem Kindeswohl dient.
Der leibliche Vater beantragte nach der Entscheidung des EGMR erneut eine Umgangsregelung, und das Amtsgericht (AG) Baden-Baden ordnete 2013 einen monatlichen, begleiteten Umgang an (Beschl. v. 08.03.2013, Az. 6 F 80/11). Das OLG hob diese Regelung jedoch auf die Beschwerde der rechtlichen Eltern hin auf (Beschl. v. 01.06.2015 - 20 UF 63/13).
Der BGH hat die Entscheidung des OLG nun seinerseits aufgehoben. Sie beruhe auf unzureichenden Ermittlungen, so der Senat. Das folge bereits daraus, dass die rechtlichen Eltern sich geweigert haben, die Zwillinge über ihre wahre Abstammung zu unterrichten, die Sachverständigen den Kindern deshalb vorgetäuscht haben, ihr Abstammungsgutachten werde im Rahmen der Zwillingsforschung erstellt, und die Gerichte die zum Zeitpunkt der Begutachtung bereits neun Jahre alten Kinder nicht angehört haben.
Elterngrundrecht in diesen Fällen einzuschränken
Das Familien- und Elterngrundrecht, insbesondere das Recht über die Information des Kindes hinsichtlich seiner wahren Abstammung, sei in Fällen, in denen der leibliche Vater ein Umgangsrecht nach § 1686 a BGB begehrt, eingeschränkt, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten BGH-Beschluss.
Das Kind sei vor einer Anhörung bzw. vor einer etwaigen Begutachtung bei entsprechender Reife über seine wahre Abstammung zu unterrichten, sofern ein Umgang nicht bereits aus anderen, nicht unmittelbar das Kind betreffenden Gründen ausscheide. Weigern sich die rechtlichen Eltern, dies selbst zu tun, stehe es im Ermessen des Tatrichters, in welcher Art und Weise er für eine entsprechende Information des Kindes Sorge trägt.
acr/LTO-Redaktion
BGH zu Umgangsrecht des leiblichen Vaters: . In: Legal Tribune Online, 03.11.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21046 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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