Ein Jesuit will vor dem Abschiebegefängnis am Berliner Flughafen demonstrieren. Seine Klage gegen das Verbot scheiterte zunächst, doch nun hat der BGH ihm Recht gegeben. Das Gelände sei ein öffentlicher Raum, so die Bundesrichter.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem Urteil vom Freitag die Demonstrationsfreiheit gestärkt. Aktivisten dürfen demnach auch auf Flughäfen direkt vor einer Flüchtlingsunterkunft gegen Abschiebungen demonstrieren. Die Richter gaben am Freitag einem Jesuitenpater aus Berlin Recht, der gegen ein entsprechendes Verbot des Flughafens Schönefeld geklagt hatte (Urt. v. 26.06.2015, Az. V ZR 227/14).
Der 72-jährige Christian Herwartz wollte direkt vor dem Abschiebegefängnis des Flughafens, welches derzeit größtenteils als Asylunterkunft genutzt wird, mit seiner Gruppe "Ordensleute gegen Ausgrenzung" eine Mahnwache abhalten. "Wir wollen hinsehen", sagte er am Freitag in Karlsruhe. "Wer befiehlt mir, dass ich den Flüchtlingen nicht begegnen darf?"
Die Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg GmbH, die in staatlicher Hand ist, untersagte die Aktion 2012 jedoch. Auf dem Betriebsgelände dürfe nicht demonstriert werden, denn es sei nicht öffentlich. Die Unterkunft befindet sich in einem Bereich des Flughafens, in dem auch Flughafensicherheit, Zollamt, Betriebsarzt oder Deutsche Post angesiedelt sind. Das Gelände ist umzäunt und durch zwei Außentore zugänglich, die in der Regel offen sind.
Die Vorinstanzen hatten die Klage des Jesuiten abgewiesen, der BGH gab ihm nun Recht. Das Verbot verletze den Pater in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, stellten die Bundesrichter fest. Der Senat verpflichtete den Flughafenbetreiber außerdem, auf dem umstrittenen Gelände am 3. Oktober eine Demonstration der Gruppierung zu erlauben.
Betriebsgelände ist öffentlicher Raum
Bürger dürften ihren Protest oder Unmut auf die Straße bringen, begründete die Vorsitzende BGH-Richterin Christina Stresemann in Karlsruhe das Urteil. Dafür bürge das Demonstrationsrecht. Das Betriebsgelände des Flughafens sei, wie eine Straße oder Fußgängerzone auch, ein solcher öffentlicher Raum.
Der BGH präzisierte damit ein grundlegendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur "Fraport" (v. 22.02.2011, Az. 1 BvR 699/06). Damals hatten die Verfassungsrichter Aktionen auf dem Frankfurter Flughafen erlaubt. Der Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz sei dort eröffnet, wo allgemeiner öffentlicher Verkehr stattfinde. Darunter falle auch der konkrete Bereich des Flughaftens, der als Einkaufsfläche wie ein öffentliches Forum ausgestaltet sei. Beide Seiten hatten sich mit unterschiedlichen Argumenten auf diese Entscheidung berufen.
Die Richter des V. Zivilsenats schlossen sich nun der Argumentation des Klägers an. Es reiche, dass das Gelände allgemein zugänglich sei, selbst wenn die dort angesiedelten Betriebe im Zusammenhang mit dem Flughafenbetrieb stünden und der Bereich umzäunt sei.
Nach dem Urteil zeigte sich Herwartz erleichtert. "Um das Unrecht des Flughafenverfahrens zu verstehen, sei es hilfreich, sich vor den Mauern des dafür genutzten Gefängnisses zu versammeln", heißt es auf seiner Webseite. Dies sei nun endlich möglich.
dpa/ahe/LTO-Redaktion
BGH erlaubt Protest vor Abschiebegefängnis: . In: Legal Tribune Online, 26.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16018 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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