BGH zum Bewertungsaufruf in Rechnungsmail: Eine erst­klas­sige Absage

von Maximilian Amos

17.09.2018

"Wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, geben Sie doch bitte eine Bewertung ab" - Aufrufe wie diesen dürfen Online-Händler nicht ungefragt ihrer Rechnung hinzufügen, denn der BGH erkennt darin unzulässige Werbung.

Wer schon einmal bei einem Online-Shop bestellt hat, kennt das: Die Rechnung kommt in der Regel per E-Mail, gedrucktes Papier ist im Jahr 2018 kaum noch erforderlich. In derselben Mail findet sich häufig auch die Bitte, den Service des Shops zu bewerten. Der Bundesgerichtshof (BGH) sieht darin aber eine verbotene Zusendung von Werbung, wenn der Kunde nicht zuvor gefragt wurde, wie aus einer nun veröffentlichten Entscheidung aus diesem Juli hervorgeht (Urt. v. 10.07.2018, Az. VI ZR 225/17).

Kläger war ein offenbar ungeziefergeplagter Kunde eines Händlers, von dem er über die Verkaufsplattform "Amazon Marketplace" ein Ultraschallgerät zur Schädlingsvertreibung erworben hatte. Nach seiner Bestellung erhielt er mit einiger Verspätung schließlich per E-Mail die Rechnung. Darin hieß es u. a.:

"Vielen Dank, dass Sie den Artikel bei uns gekauft haben. Wir sind ein junges Unternehmen und deshalb auf gute Bewertungen angewiesen. Deshalb bitten wir Sie darum, wenn Sie mit unserem Service zufrieden waren, uns für Ihren Einkauf eine 5-Sterne Beurteilung zu geben. Sollte es an dem gelieferten Artikel oder unserem Service etwas auszusetzen geben, würden wir Sie herzlich darum bitten, uns zu kontaktieren. Dann können wir uns des Problems annehmen. Zur Bewertung: über folgenden Link einfach einloggen und eine positive 5-Sterne Beurteilung abgeben [...]".

Soweit jedenfalls nichts Ungewöhnliches. Der Kunde aber fand die Aufforderung offenbar so aufdringlich, dass er sich genötigt sah, mit einer Unterlassungsklage dagegen vorzugehen. Sowohl das Amtsgericht (AG) als auch das Landgericht (LG) Braunschweig konnten in der E-Mail nichts Rechtswidriges erkennen und wiesen sein Begehren zurück. Der BGH sah dies aber nun ganz anders und gab Revisionsantrag des Mannes statt.

Das Recht, mit Werbung in Ruhe gelassen zu werden

In den Augen der Karlsruher Zivilrichter hätte der Online-Händler seinen Kunden zuvor speziell um Erlaubnis fragen müssen, ihm eine Kundenzufriedenheitsumfrage zuzusenden. Da er die Aufforderung zur Bewertung aber stattdessen einfach an die Mail mit der Rechnung angehängt hatte, stelle dies einen rechtswidrigen Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht dar. Dagegen könne er einen Unterlassungsanspruch nach §§ 823, 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog geltend machen.

Das LG hatte zwar ebenfalls einen Eingriff angenommen, diesen aber nicht als rechtswidrig eingestuft. Denn im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung war man in der Vorinstanz noch zu dem Schluss gekommen, dass die Belästigung des Käufers durch eine solche Mail als eher gering einzustufen sei. Schließlich stehe sie in direktem Zusammenhang mit seinem Kauf bei dem Händler und zwinge ihn auch nicht dazu, sich mit anderen Produkten zu befassen.

Dem Grunde nach unterschied man sich in seiner Auffassung dabei gar nicht so sehr von der des IV. Senats in Karlsruhe. Der betonte nämlich, es handele sich grundsätzlich um einen Eingriff in die Privatsphäre des Kunden, wenn ein Unternehmer zu Werbezwecken Kontakt mit ihm aufnehme, ohne vorher seine Einwilligung eingeholt zu haben. Das könne beispielsweise in Gestalt eines entsprechenden Häkchens bei der Bestellung geschehen. Im Rahmen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts, das auch unter die geschützten Rechte nach § 823 Abs. 1 BGB falle, habe der Betroffene schließlich das Recht, im privaten Bereich in Ruhe gelassen zu werden, urteilte der BGH.

Auch eine Kundenumfrage ist Werbung

Dazu zählt nach Ansicht der Karlsruher Richter auch das Recht, mit unerwünschten Werbemails in Ruhe gelassen zu werden, wie man aus der EU-Richtlinie zum Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation ableiten könne. Danach dürften E-Mails zu Werbezwecken nicht ohne Einwilligung an Verbraucher versandt werden.

Dass es sich bei der Kundenzufriedenheitsumfrage im Rahmen des Rechnungsversands überhaupt um Werbung handelt, war in dem Fall relativ unstrittig und wurde auch schon in der Vorinstanz so gesehen. Laut BGH verbirgt sich hinter dem Begriff "jede Äußerung [...] mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern". Dazu zähle auch Imagewerbung, die solche Kundenzufriedenheitsabfragen einschließe.

Soweit man bis dahin noch mit dem LG d'accord ging, entschied man sich in Karlsruhe dann aber dazu, die Interessenabwägung zugunsten des klagenden Kunden ausfallen zu lassen und stützte sich dabei auf § 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wonach jede Werbe-Mail ohne ausdrückliche Einwilligung des Adressaten stets eine unzumutbare Belästigung darstellt. Die Norm war zwar nicht unmittelbar für das Verfahren einschlägig, da sich nur Verbraucherverbände und keine Einzelpersonen auf das UWG berufen können. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, müsse man sie aber auch hier heranziehen, so die Bundesrichter.

Miteinbeziehen von Werbung in Rechnungen als gängige Praxis?

Keine Rolle spielte für den Senat dabei, dass die Abfrage nicht mittels einer eigenen (unerwünschten) Mail versandt wurde, sondern im Rahmen der an sich erlaubten Rechnungszusendung. Nur weil das Übersenden der Rechnung selbst keine Werbung darstelle, rechtfertigt das in den Augen der Richter nicht gleich alles, was sonst noch in der E-Mail enthalten ist.

Zwar gab auch der BGH zu, dass die Belästigung relativ gering erscheine, da der Kunde die Anfrage auch schlicht ignorieren könne. Er müsse sich aber mit ihr "zumindest gedanklich beschäftigen", was nach Karlsruher Auffassung schon zu viel des Guten ist. Dabei hatten die Richter offenbar auch im Sinn, einer um sich greifenden Praxis vorzubeugen, nach der Online-Händler Aufforderungen zur Bewertung künftig immer direkt der Rechnung hinzufügten. Denn, so argumentierte der Senat, wenn man im Einzelfall ein solches Vorgehen als zulässig erachte, könnten sich Mitbewerber ermuntert sehen, diese schnelle und einfach Werbemethode ebenfalls anzuwenden, was sich für den Kunden in Zeiten des verstärkten Online-Konsums doch zu einer erheblichen Belästigung aufsummiere.

Dabei sei es dem Verkäufer hingegen zuzumuten, im Rahmen des Kaufs dem Kunden die Möglichkeit zu geben, weiterer Werbung zu widersprechen.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Bewertungsaufruf in Rechnungsmail: . In: Legal Tribune Online, 17.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30957 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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