Längst ist höchstrichterlich festgestellt, dass Volkswagen Millionen Diesel-Käufer hinters Licht geführt hat. Tausende Autobesitzer haben sich mit ihrer Schadenersatz-Klage lange Zeit gelassen. Zu lange?
Tausende Diesel-Kläger haben erst Jahre nach dem Auffliegen des Abgasskandals Schadenersatz von VW gefordert – seit Dienstag klärt der Bundesgerichtshof (BGH), ob sie möglicherweise zu lange gewartet haben (Az. VI ZR 1118/20). Das Karlsruher Urteil, das in den nächsten Wochen verkündet wird, ist wegweisend für die allermeisten Klagen, die erst 2019 oder noch später erhoben wurden. Nach Auskunft von Volkswagen betrifft das rund 20.000 Verfahren. In einem ähnlich gelagerten Fall hatte der BGH bereits 2020 entschieden.
VW hatte in Millionen Diesel-Fahrzeugen mit dem Motor EA189 eine Betrugssoftware eingesetzt, die in Behördentests verschleierte, dass eigentlich zu viele Schadstoffe ausgestoßen wurden. Die Manipulationen waren im September 2015 ans Licht gekommen, VW bestätigte nach Medienberichten in einer Ad-hoc-Mitteilung die Abweichungen der gemessenen Emissionswerte.
Verjährung aller Ansprüche Ende 2018?
Schadenersatzansprüche verjähren regelmäßig nach drei Jahren. Klägerinnen und Kläger hätten also eigentlich bis spätestens Ende 2018 aktiv werden müssen. Die Frist läuft aber erst ab dem Jahr, in dem jemand von der Betroffenheit seines Autos erfahren hat oder "ohne grobe Fahrlässigkeit" davon hätte erfahren müssen - und nun ist bundesweit in Fällen vor Gericht umstritten, ob das noch 2015 war.
In dem verhandelten Fall aus Sachsen-Anhalt hatte das Oberlandesgericht Naumburg (Urt. v. 25.6.2020, Az. 8 U 34/30) zuletzt entschieden, dass die Ansprüche verjährt seien. Durch die breite Medienberichterstattung sei 2015 alles öffentlich bekannt geworden, was der Kläger hätte wissen müssen.
Der Vorsitzende BGH-Richter Stephan Seiters deutete nun in der Verhandlung an, dass damit noch nicht erwiesen sei, dass der Kläger dies auch mitbekommen habe. Niemand sei verpflichtet, die Berichterstattung zu verfolgen
Verjährungshemmung durch Anmeldung zur Musterfeststellungsklage?
Zu einem zweiten Punkt hatten sich die Richterinnen und Richter in ihren Vorberatungen noch keine abschließende Meinung gebildet. Der Kläger hatte sich zeitweise zur Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentralen gegen VW angemeldet, um die Verjährung seiner Ansprüche zu verhindern. Später meldete er sich wieder ab und klagte selbst.
VW-Anwalt Reiner Hall sprach von einem "Massenphänomen": Die auf Diesel-Fälle spezialisierten Kanzleien hätten so Zeit geschunden, um der von ihnen befeuerten Klageflut Herr zu werden. Die Frage ist, ob das zulässig war oder einen Rechtsmissbrauch darstellt.
ast/dpa/LTO-Redaktion
BGH: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45464 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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