Facebook-Nutzer können nach einem Datenleck schon allein aufgrund des Kontrollverlusts über ihre Daten immateriellen Schadensersatz verlangen. Das hat der BGH entschieden. Der sog. Scraping-Komplex ist damit höchstrichterlich entschieden.
Im Streit um Schadensersatzansprüche nach einem umfangreichen Datendiebstahl bei Facebook hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte der betroffenen Nutzerinnen und Nutzer gestärkt. Wie die Karlsruher Richter bereits vergangene Woche durchblicken ließen, lässt der BGH schon allein den Verlust der Kontrolle über die eigenen Daten für einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz ausreichen (Urt. v. 18.11.2024, Az. VI ZR 10/24).
Die Betroffenen haben damit nun vergleichsweise niedrige Hürden, um Schadensersatz zu erstreiten. Schon der bloße und kurzzeitige Verlust der Kontrolle über eigene personenbezogene Daten könne ein immaterieller Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sein, so der BGH. Die Betroffenen müssten in solchen Fällen nur nachweisen, dass sie Opfer des Vorfalls waren. Es sei weder nötig, dass die Daten nachweislich missbraucht wurden, noch müssten Belege dafür geliefert werden, dass ihr Leben nun in besonderer Weise beeinträchtigt sind, etwa durch Angst und Sorge.
Allerdings machte der Vorsitzende Richter des sechsten Zivilsenats, Stephan Seiters, deutlich, dass der Schadensersatz beim bloßen Kontrollverlust nicht allzu hoch ausfallen könne. Als Beispiel im konkreten Fall nannte Seiters 100 Euro. Konkret muss das Oberlandesgericht Köln den Fall nun in Teilen noch einmal verhandeln und dabei klären, ob tatsächlich ein Datenschutzverstoß vorlag und wie der Schaden zu bemessen sei.
Richtungsweisend für Tausende Klagen
Hintergrund des Urteils ist ein Vorfall aus dem April 2021. Unbekannte hatten damals Daten von rund 533 Millionen Facebook-Nutzerinnen und -Nutzern aus 106 Ländern im Internet veröffentlicht. Diese hatten die Täter abgegriffen, indem sie eine Funktion zur Freunde-Suche in dem sozialen Netzwerk ausnutzten, durch die Profile mithilfe der eigentlich nicht öffentlichen Telefonnummer gefunden werden konnten. Durch die Eingabe willkürlich generierter Telefonnummern wurden so Treffer gelandet und die zugehörigen Daten abgegriffen, das nennt man "Scraping", weswegen der Fall auch als "Scraping-Komplex" bekannt ist.
Noch eine Besonderheit: Der BGH hat den Scraping-Komplex genutzt, um zum ersten Mal von der neuen Möglichkeit des Leitentscheidungsverfahrens Gebrauch zu machen. Die höchstrichterliche Klärung ist entscheidend für Tausende ähnlich gelagerte Klagen, die an den Landes- und Oberlandesgerichten in Deutschland anhängig sind.
Eine ausführliche Einordnung des Urteils wird es noch in dieser Woche auf LTO.de zu lesen geben.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Entscheidung im Scraping-Komplex: . In: Legal Tribune Online, 18.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55888 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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