Die Mietpreisbremse deckelt die Miete. Ist sie zu hoch, kriegt der Mieter Geld zurück. Um das zu prüfen, braucht er aber Auskünfte von Vermieter. Künftig hat er lange Zeit, diese einzufordern, so der BGH in einem mieterfreundlichen Urteil.
In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Verjährungsfrist für Auskunftsansprüche gegenüber Vermietern klargestellt (Urt. v. 12.07.2023, Az. VIII ZR 375/21 u.a.). Damit haben Betroffene, die in Gebieten mit der sogenannten Mietpreisbremse leben und möglicherweise zu viel für ihre Wohnung bezahlen, künftig viel Zeit, wichtige Informationen zur Zulässigkeit der Miete zusammenzutragen. Das Urteil werten Mieterschützer daher als Erfolg.
Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse soll einen allzu rasanten Anstieg der Mieten in "Gebieten mit [ohnehin schon] angespanntem Wohnungsmarkt" verhindern. § 556d Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gewährleistet daher, dass die Miete zehn Prozent des Ortsüblichen nicht überschreiten darf. Zahlt der Mieter zu viel, kann er den Mehrbetrag zurückfordern. Er muss dafür aber die Miethöhe innerhalb von 30 Monaten nach Mietvertragsbeginn rügen (§ 556g Abs. 2 BGB).
Doch dieser Anspruch ist für Mieter oft schwierig durchzusetzen: Zu Hemmungen, es sich mit dem Vermieter zu verscherzen, kommen fehlende Kenntnisse über die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete hinzu. Denn hierbei werden etwa Baujahr, energetische Ausstattung und Beschaffenheit der Wohnung in den letzten sechs Jahren berücksichtigt (§ 558 Abs. 2 BGB). Um dieses Problem zu lösen, gibt das Gesetz dem Mieter neben dem Zahlungsanspruch auch einen Anspruch auf Auskunft über alle für die Miethöhe potenziell relevanten Tatsachen, "soweit diese Tatsachen nicht allgemein zugänglich sind und der Vermieter hierüber unschwer Auskunft geben kann" (§ 556g Abs. 3 BGB).
Auskunftsanspruch kann vor Zahlungsanspruch verjähren
Für diesen Auskunftsanspruch war bislang unklar, wann die dreijährige Verjährungsfrist zu laufen beginnt. Die Instanzgerichte sahen den Zeitpunkt teilweise schon beim Abschluss des Mietvertrages, teilweise erst bei der Aufforderung zur Rückzahlung zu viel bezahlter Miete. Der BGH wählte nun eine Zwischenlöschung, die er bereits bei der Verhandlung Ende Mai angedeutet hatte.
Der VIII. Senat stellte klar, dass der Auskunftsanspruch eigenständig und unabhängig von dem Anspruch des Mieters auf Rückzahlung überzahlter Miete verjährt. Die Verjährungsfrist beginne nicht bereits mit dem Abschluss des Mietvertrages, sondern wenn der Mieter sein Auskunftsverlangen gegenüber dem Vermieter zum Ausdruck bringe.
Das bedeutet in der Konsequenz: Der Auskunftsanspruch kann vor dem Rückzahlungsanspruch verjähren. Da der Mieter sein Zahlungsverlangen aber erst formulieren kann, nachdem er vom Vermieter die nötigen Auskünfte erhalten hat, muss er zuerst Auskunft verlangen, was laut BGH nun die Frist in Gang setzt. Die Verjährungsfrist für den Zahlungsanspruch hingegen beginnt erst mit dem Zahlungsverlangen bzw. mit Zugang der Rüge zu laufen, also praktisch so gut wie immer später.
Verlangt der Mieter vom Vermieter Auskunft und lässt anschließend drei Jahre verstreichen, kann er die Mietpreisbremse somit nicht mehr durchsetzen: Er mag zwar einen Anspruch auf Rückzahlung der Miete haben, der noch nicht verjährt ist. Er kann aber keine Auskunft mehr verlangen – und ohne diese kann er nicht darlegen und beweisen, wie viel der Vermieter ihm schuldet. Damit würde die Zahlungsklage abgewiesen.
Warum ist die Entscheidung des BGH trotz dieser Konsequenz vermieterfreundlich?
Mieter hat Zeit für Auskunftsverlangen
Der Grund liegt darin, dass der Mieter nun theoretisch unbegrenzt Zeit hat, sein Auskunftsverlangen erstmals zu formulieren. Denn der BGH stellt klar, dass der Auskunftsanspruch nicht von allein drei Jahre nach dem Jahr des Mietvertragsschlusses verjährt.
Verlangt der Mieter vom Vermieter Auskunft – und kommt dieser der Aufforderung nicht nach –, hat der Mieter es zudem selbst in der Hand, ob Verjährung eintritt: Denn er kann den Vermieter nach § 556g Abs. 3 BGB auf Erteilung der Auskunft verklagen. Dies hemmt die Verjährung (§ 204 BGB).
Das BGH-Urteil hält den Mieter also dazu an, sein Recht auf Auskunft gerichtlich durchzusetzen, wenn der Vermieter die Informationen nicht umgehend mitteilt. Es gibt ihm aber zugleich lange Zeit, erstmals (außergerichtlich) die nötigen Auskünfte zu verlangen. Schließlich kann es sein, dass ein Mieter erst Jahre, nachdem er eingezogen ist, den Hinweis erhält, seine Miete könnte unzulässig hoch sein.
Mieterbund begrüßt Entscheidung
Der Deutsche Mieterbund (DMB) nannte das Urteil eine gute Entscheidung. Es bedeute eine Hürde weniger für Mieterinnen und Mieter, sagte DMB-Präsident Lukas Siebenkotten. Gleichzeitig appellierte er an den Gesetzgeber, immer noch bestehende Ausnahmen für die Mietpreisbremse abzuschaffen. Verstöße müssten geahndet werden.
Wie viele Mieter von der BGH-Entscheidung profitieren könnten, ist nach Angaben des Eigentümerverbandes Haus und Grund unklar, auch der DMB hat dazu keine Zahlen. Der Rechtsdienstleister Conny (vormals: wenigermiete.de), der die Klagen stellvertretend eingereicht hatte, geht nach früheren Angaben von bundesweit tausenden betroffenen Mietern aus, die nun Informationen zu mutmaßlich überhöhter Miete einfordern und dann versuchen könnten, Ansprüche geltend zu machen.
Eine Sprecherin des DMB hatte schon im Vorfeld die Bedeutung der Auskunftsansprüche betont. Sie dienten nicht nur dazu, vom Vermieter geltend gemachte Ausnahmen von der Mietpreisbremse zu prüfen, sondern auch dazu herauszufinden, ob die verlangte Miete überhaupt zulässig ist.
Mit Material von der dpa
BGH erleichtert Durchsetzung der Mietpreisbremse: . In: Legal Tribune Online, 13.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52227 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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