BGH erlaubt auch harsche Kundenkritik auf Ebay: "Ver­sand­kosten Wucher!!" ist keine Sch­mäh­kritik

28.09.2022

4,90 Euro für den Versand – das war einem Käufer auf Ebay zu viel, er hinterließ eine Bewertung: "Ware gut, Versandkosten Wucher!!". Das sei keine Schmähkritik und damit zulässig, so der BGH - auch wenn die AGB anderes sagen.

Wer nach einem Geschäft über die Internetplattform Ebay verärgert ist, darf seine Kritik auch mit harschen Worten und überzogen formulieren. Es darf nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mittwoch nur keine Schmähkritik sein, also nicht rein auf die Herabwürdigung des Verkäufers abzielen (Urt. v. 28.09.2022, Az. VIII ZR 319/20).

In dem Fall hatte ein Mann über Ebay bei einem Unternehmen aus Bayern vier Gelenkbolzenschellen gekauft. Von den gezahlten 19,26 Euro waren 4,90 Euro Versandkosten. Als Bewertung schrieb er nach Erhalt der Produkte im Bewertungsprofil des Verkäufers: "Ware gut, Versandkosten Wucher!!"

AGB verlangen "sachliche" Bewertungen

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von Ebay heißt es zum Thema Bewertungen: "Nutzer sind verpflichtet, in den abgegebenen Bewertungen ausschließlich wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die von Nutzern abgegebenen Bewertungen müssen sachlich gehalten sein und dürfen keine Schmähkritik enthalten." Als solche werden Äußerungen genannt, bei denen es nicht um die Sache geht, sondern das Herabwürdigen der anderen Person im Vordergrund steht. Vor allem das Bundesverfassungsgericht arbeitet seit Jahren immer wieder die Grenzen der Schmähkritik heraus. Im vorliegenden Fall hatten auch beide Seiten den AGB zugestimmt.

Die Verkäuferin hielt die Bewertung des Käufers für unzulässig und wollte, dass der "Wucher"-Kommentar entfernt wird. Das Amtsgericht in Weiden in der Oberpfalz hatte einen entsprechenden Anspruch noch abgelehnt. Die Bewertung sei in einen Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt und weise damit einen Sachbezug auf.

Das Landgericht in Weiden wiederum entschied im Berufungsverfahren, es handele sich um eine überspitzte Beurteilung ohne sachlichen Bezug, weil für einen objektiven Leser nicht erkennbar sei, warum die Versandkosten "Wucher" sein sollen. Damit verstoße die Bewertung gegen das Sachlichkeitsgebot aus den AGB von Ebay. Daraus ergebe sich ein über die Abwehr von Schmähkritik hinausgehender Schutz.

Was soll "sachlich" heißen?

Gegen das Urteil ging wiederum der Käufer in Revision, über die der BGH nun entschied. Demnach steht der Verkäuferin kein Anspruch auf Entfernung der Bewertung vor. Die AGB von Ebay enthielten nämlich keine strengeren vertraglichen Beschränkungen für die Zulässigkeit von Werturteilen in Bewertungskommentaren. Es fehle bereits an der Definition, was "sachlich" heißen soll. Außerdem würde man der grundrechtlich verbürgten Meinungsfreiheit des Bewertenden von vorherein ein geringeres Gewicht beimessen als den Grundrechten des Verkäufers, wenn man eine Meinungsäußerung eines Käufers regelmäßig bereits dann als unzulässig einstuft, wenn sie herabsetzend formuliert ist oder nicht auf sachlichen Erwägungen beruht.

Die Grenze zur Schmähkritik sei in diesem Fall auch nicht überschritten. Bei der Bewertung der Bewertung "Versandkosten Wucher!!" stehe eine Diffamierung nicht im Vordergrund. Schließlich setze sich der Käufer - wenn auch in scharfer und möglicherweise überzogener Form - kritisch mit einem Teilbereich der gewerblichen Leistung auseinander, indem er die Höhe der Versandkosten beanstandet. Die Zulässigkeit eines Werturteils hänge dabei nicht davon ab, ob es mit einer Begründung versehen ist.

dpa/pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH erlaubt auch harsche Kundenkritik auf Ebay: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49759 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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