Die Weigerung einer Verkäuferin, eine mangelhafte Kaufsache zurückzunehmen, kann zu einem Schadensersatzanspruch der Käuferin führen. Dies entschied der BGH in einem nicht nur für das Jura-Examen relevanten Urteil.
Weigert sich eine Verkäuferin nach einem wirksamen Rücktritt, die mangelhafte Kaufsache zurückzunehmen, kann dies eine Pflichtverletzung nach § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellen, so der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag veröffentlichten Urteil (Urt. v. 29. November 2023, Az. VIII ZR 164/21).
Geklagt hatte eine Bauunternehmerin, die zur Errichtung eines Parkplatzes 22.000 Tonnen Schotter bei der beklagten Baustoffhändlerin gekauft hatte. Nach teilweisem Einbau des Schotters stellte sich heraus, dass dieser mit Arsen belastet war und deshalb nicht verwendet werden konnte. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte auf, den Schotter abzuholen. Die beklagte Baustoffhändlerin verweigerte die Rücknahme, woraufhin die Bauunternehmerin Klage erhob. Sie forderte u.a. Schadensersatz, weil sie den Schotter selbst entsorgen musste und ihr dabei Kosten entstanden sind.
OLG: Keine Pflicht zur Rücknahme
Die Klage wurde in erster und zweiter Instanz abgewiesen. Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken begründete seine Entscheidung maßgeblich damit, dass ein Verkäufer im Rückgewährschuldverhältnis zwar einen Anspruch auf Rückgewähr der Kaufsache gegen den Käufer habe. Eine Pflicht des Verkäufers, die Sache zurückzunehmen, bestehe allerdings nicht. Deshalb könne die Verweigerung der Rücknahme keine Pflichtverletzung sein.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin erfolgreich Revision ein. Der BGH bejahte nun einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen der Verletzung ihrer Rücksichtnahmepflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 346 Abs. 1 BGB).
Durch den wirksamen Rücktritt der Klägerin sei der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden. Auch in diesem Schuldverhältnis träfen die Parteien Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Diese Pflichten bedeuten nach ständiger Rechtsprechung des BGH, dass sich beide Parteien eines Schuldverhältnisses so verhalten sollen, dass keine Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen verletzt werden.
BGH: Weiterer Verbleib der Kaufsache kann Käuferin belasten
Auch bei Rückgewährschuldverhältnissen habe jede Partei ein Interesse daran, dass sich ihre – insbesondere finanzielle – Situation nicht verschlechtert, konkretisierte nun der BGH. Bereits der weitere Verbleib der mangelhaften Kaufsache bei der Käuferin könne diese erheblich belasten, wenn sie für ihren Zustand verantwortlich ist, sie aufbewahren oder gar entsorgen muss.
Zwar gebe es in Rückgewährschuldverhältnissen auch andere Rechtsschutzmöglichkeiten – etwa den Verwendungsersatzanspruch aus § 347 Abs. 2 BGB, die Regelungen des Annahmeverzugs, oder die Hinterlegung und Versteigerung der Kaufsache. Diese böten der Klägerin vorliegend jedoch keinen ausreichenden Schutz.
In solchen Fällen, in denen keine anderen Rechtschutzmöglichkeiten bestehen, verstoße die Verkäuferin nach Auffassung des BGH gegen ihre Rücksichtnahmepflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie die Kaufsache nicht zurücknimmt.
Die Rücknahme sei der Beklagten im vorliegenden Fall auch zumutbar gewesen. Zwar belaste die Rücknahme der Kaufsache die Verkäuferin genauso stark wie die Käuferin, dies sei jedoch unschädlich. Denn der Gesetzgeber habe durch die Regelungen der §§ 346 ff. BGB die Sache nach erfolgtem Rücktritt wieder dem Verkäufer zugewiesen. Das bedeutet, dass dieser mehr Verantwortung tragen soll.
Die Frage, ob ein Verkäufer grundsätzlich eine Pflicht zur Rücknahme der Kaufsache hat, ließ der BGH ausdrücklich offen. Er hat die Sache zur erneuten Entscheidung an das OLG Zweibrücken zurückverwiesen.
hes/LTO-Redaktion
BGH zu Rückgewährschuldverhältnis: . In: Legal Tribune Online, 30.01.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53753 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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