BGH: Verurteilungen wegen progressiver Kundenwerbung rechtskräftig

25.03.2011

Der 5. Strafsenat des BGH hat die Revisionen von neun Angeklagten als unbegründet verworfen, die sich der progressiven Kundenwerbung im Sinne des UWG strafbar gemacht hatten. Sie hatten als Voraussetzung für eine Vertriebsmitarbeit die Buchung eines Seminars verlangt.

Die Angeklagten vertrieben Fortbildungsseminare zu den Themen Persönlichkeitsentwicklung und Motivation, Zeitmanagement, Rhetorik und Verkauf zum Preis von 3.200 Euro. Zugleich bewarben sie auch die Vertriebsmitarbeit in der Firma. Sie stellten Verdienstmöglichkeiten von mindestens 550 Euro für jedes erfolgreich vermittelte Seminar in Aussicht.

Um Bewerber mit Interesse an einem Nebenverdienst in Präsentationsveranstaltungen zu locken, offerierten sie per Zeitungsannonce eine Fahrertätigkeit.

Die Angeklagten verlangten als Voraussetzung für eine Vertriebsmitarbeit die Buchung eines Seminars. Erst nach Bezahlung der Seminarkosten händigten sie den geworbenen Personen einen Mitarbeitervertrag aus, der als typischer Kettenvertrag gestaltet war. Innerhalb von vier Jahren umwarben sie so mindestens 4.605 Personen und vertrieben 3.959 Seminare.

Der Bundesgerichtshof (BGH) sah die geworbenen Mitarbeiter als Verbraucher im Sinne des § 16 Abs. 2 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) an.

Der BGH stellte auf den Zeitpunkt ab, in dem die Angeklagten erstmals durch die Werbemaßnahme auf die Bewerber eingewirkt hatten. In dieser Phase hätten sie sich noch nicht zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit entschieden. Da der Tatbestand des § 16 Abs. 2 UWG als Unternehmensdelikt (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 StGB) ausgestaltet sei, sei für die Vollendung des Delikts ausreichend gewesen, dass mit der werbenden Tätigkeit begonnen wurde und dieses Verhalten unmittelbar in die Buchung eines Seminars einmünden sollte.

Das Landgericht (LG) Leipzig hatte in der Vorinstanz die Angeklagten der progressiven Kundenwerbung nach § 16 Abs. 2 UWG schuldig gesprochen und gegen sie – mit Ausnahme eines Angeklagten, der zu einer Geldstrafe verurteilt wurde – auf Freiheitsstrafen erkannte. Einen Verbotsirrtum hatte das LG zu Recht ausgeschlossen, so der BGH.

Die Angeklagten hielten nach Ansicht des BGH selbst eine Strafbarkeit für wahrscheinlich. Das Gericht schloss dies aus der Tatsache, dass sie in die schriftlichen Verträge – wahrheitswidrig – die Klausel aufgenommen hatten, dass zwischen der Mitarbeit im Vertrieb und der Buchung des Seminars kein Zusammenhang bestehe (Beschl. v. 24. 02.2011, Az. 5 StR 514/09).

plö/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

BGH: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/2875 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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