Ein Autoteile-Großhändler ohne besondere Kunstkenntnisse besitzt Bilder eines eher unbekannten Malers. Dessen Enkel wollen sie zurück, die Gemälde seien in den 80er Jahren gestohlen worden. Der BGH hat entschieden, wer was beweisen muss.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass der aktuelle Besitzer eines Kunstwerks sich nicht darauf berufen kann, dieses ersessen zu haben, wenn seine Geschichte, wie er an das Kunstwerk gelangt sein will, als falsch widerlegt ist. Dann greift die sekundäre Darlegungslast zu seinen Lasten, die Voraussetzungen von § 937 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sind in solchen Fällen als bewiesen anzusehen, urteilte der BGH am Freitag (Urt. v. vom 19.07.2019, Az. V ZR 255/17). Das bedeutet, dass die Ersitzung ausgeschlossen ist.
Damit greift allerdings die Ausnahme von der Regel. Mit seinem Urteil hat der u. a. für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat nämlich auch entschieden, dass derjenige, der behauptet, dass ihm ein Kunstwerk aufgrund Ersitzung nach § 937 BGB zustehe, grundsätzlich nichts weiter beweisen muss, als dass er das Kunstwerk mindestens zehn Jahre in Besitz hatte (§ 937 Abs. 1 BGB). Er muss insbesondere nicht beweisen, dass er bei dessen Kauf gutgläubig war - auch dann nicht, wenn das Kunstwerk einem früheren Eigentümer zuvor gestohlen worden war.
Vor allem ein Laie müsse, so der BGH, beim Kauf von Kunst nicht aktiv nachforschen, ob das Kunstwerk auf legalem Weg in seine Hände geraten ist. Gibt es aber Hinweise auf illegale Machenschaften, darf er diese nicht ignorieren. Auch dann, wenn das Kunstwerk einem früheren Eigentümer gestohlen wurde, gilt also die Beweislastverteilung, wie § 937 Abs. BGB sie vorsieht, entschied der BGH.
Grundsätzlich gutgläubig, auch bei gestohlenen Sachen
Das bedeutet, dass nicht der aktuelle Besitzer eines Kunstwerks dem mutmaßlichen früheren Eigentümer beweisen muss, dass er beim Erwerb des Kunstwerks gutgläubig war; vielmehr muss der frühere Eigentümer, der die Ersitzung bestreitet und die Herausgabe des Kunstwerks verlangt, darlegen und beweisen, dass der aktuelle Besitzer bösgläubig war.
Das hat der BGH nun auch für den Fall klargestellt, dass der frühere Eigentümer sich darauf beruft, dass das Kunstwerk gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhandengekommen sei. Schließlich, so der V. Zivilsenat zur Begründung, habe der Gesetzgeber die Regelung des § 937 BGB gerade für gestohlene oder verloren gegangene Sachen für nötig gehalten - und sich dabei bewusst dafür entschieden, den guten Glauben des Ersitzenden nicht zur Voraussetzung der Ersitzung zu machen, sondern lediglich für den Fall des bösen Glaubens die Ersitzung auszuschließen.
So muss in dem Fall, über den der V. Senat zu entscheiden hatte, nun das Oberlandesgericht neu urteilen: Wie beurteilt es die Version des beklagten Autoteile-Großhändlers "ohne besondere Kunstkenntnisse", der zwei Gemälde des Malers Hans Purrmann an dessen Enkel herausgeben soll? Der Autoteilehändler behauptet, er habe die Bilder mutmaßlich 1986 oder 1987 von seinem Stiefvater geschenkt bekommen, der sie damals von einem Antiquitätenhändler oder -sammler in Dinkelsbühl gekauft habe. Seitdem hätten sie zunächst in seinem Privathaus, später im Betrieb gehangen, schließlich seien sie in einem Wandschrank gelandet.
Aufgefallen waren die Werke, die nach Angaben des klagenden Enkels des Malers bei einem Einbruch bei seinen Eltern im Jahr 1986 entwendet worden waren, als der Autoteilehändler sie im Jahr 2009 einem Auktionshaus zum Kauf anbot.
pl/LTO-redaktion
BGH zur Ersitzung gestohlener Kunstwerke: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36629 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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