Der Notar ist zur Verschwiegenheit verpflichtet. Stirbt nun der Errichter eines Testaments, kann nicht mehr er selbst, sondern nur noch die Aufsicht diese Pflicht aufheben. Dies muss sie sogar in bestimmten Fällen, wie nun der BGH entschied.
Auch enterbte Angehörige haben ein Recht, das Testament zu sehen. Warum sie das möchten, habe keine Rolle zu spielen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Die zuständige Aufsichtsbehörde muss demnach den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht entbinden, wenn der enterbte Hinterbliebene das beantragt (Urt. v. 20.07.202 Az. NotZ(Brfg) 1/19).
Geklagt hatte der Sohn eines 2016 gestorbenen Mannes. Der Vater hatte knapp vier Jahre vor seinem Tod mit seiner zweiten Ehefrau ein Testament aufgesetzt. Danach sollten nur die Kinder aus zweiter Ehe erben. Der klagende Sohn stammte allerdings aus erster Ehe und erfuhr von dieser Regelung erst bei der Testamentseröffnung. Er wollte daraufhin beim Notar die beglaubigte Abschrift des Testaments einsehen, die dort noch in den Akten liegt. Es gebe Anzeichen dafür, dass Seiten des Originals ausgetauscht worden seien, führte er zur Begründung an.
Ist ein Beteiligter verstorben, so kann stattdessen die Aufsichtsbehörden den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht befreien. Dies war in dem vorliegenden Fall der Präsident des Landgerichts Münster, der den Antrag abgelehnt hatte, denn die Manipulationsvorwürfe entbehrten "jeder nachvollziehbaren vernünftigen Grundlage", wie er befand. Das Kölner Oberlandesgericht hatte diese Entscheidung bestätigt.
BGH: Auf die Gründe, das Testament einsehen zu wollen, kommt es nicht an
Zu Unrecht, entschied nun der BGH. Der Notar sei hier zwingend von seiner Verschwiegenheitspflicht zu befreien. Mit dem Tod des Vaters sei dessen Interesse an Geheimhaltung seines letzten Willens dem Sohn gegenüber entfallen - ob enterbt oder nicht. Dabei komme es nicht darauf an, ob der gesetzliche Erbe aus nachvollziehbaren Motiven über den Inhalt des Testaments informiert werden möchte.
Der Ermessenspielraum, der der Aufsicht bei der Entscheidung eigentlich zustehe, sei auf Null reduziert, weil das Geheimhaltungsinteresse der Beteiligten gegenüber dem Sohn entfallen sei. Mit der BGH-Entscheidung ist die Sache allerdings noch nicht durch: Die grundsätzliche Klarstellung der BGH-Richter bezieht sich nur auf die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht durch die Aufsicht. Ob auch der betroffene Notar selbst "mitspielt", ist damit nicht gesichert. Der hatte dem klagenden Sohn die Einsichtnahme bisher verweigert.
vbr/dpa/LTO-Redaktion
BGH zu den Rechten des Pflichtteilserben: . In: Legal Tribune Online, 07.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42713 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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