2/2: BGH folgt "Willen des Gesetzgebers"
Auf dieser Grundlage verneinten die Vorinstanzen einen Anspruch auf Schmerzensgeld und sprachen dem Kläger aus seinem Aufopferungsanspruch lediglich den Ersatz des Vermögensschadens zu.
Dem folgte der BGH nun nicht, sondern korrigierte seine Sichtweise auf die Aufopferung. Von einem Willen des Gesetzgebers, die Ersatzpflicht bei Eingriffen in immaterielle Rechtsgüter grundsätzlich auf daraus folgende Vermögensschäden zu beschränken, könne nicht mehr ausgegangen werden, so der Senat. Diesen Grundsatz, der Grundlage des Urteils aus dem Jahr 1956 war, habe der Gesetzgeber mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I S. 2674) verlassen. Infolge der Änderung des § 253 BGB habe sich der Schmerzensgeldanspruch ausgeweitet, so der III. Zivilsenat.
Dies ergebe sich auch aus der Änderung der Vorschriften über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen im Jahr 1971, nach denen für zu Unrecht erlittene Haft eine Entschädigung auch für Nichtvermögensschäden gewährt werde. Zudem habe mittlerweile eine Vielzahl von Bundesländern Bestimmungen eingeführt, nach denen Ersatz auch des immateriellen Schadens bei Verletzung des Körpers oder der Gesundheit infolge präventiv-polizeilicher Maßnahmen geschuldet werde.
Staatshaftungsrechtler: "Rechtsprechung zieht nach"
"Eine interessante Änderung der Rechtsprechung" befand auch Prof. Dr. Foroud Shirvani, der an der Universität Bonn u.a. Staatshaftungsrecht lehrt, gegenüber LTO. Gleichwohl sei es "nicht unüblich, dass der BGH seine Rechtsprechung gerade im Staatshaftungsrecht ändert, da es sich dabei vielfach um richterrechtliche Institute handelt".
Vor diesem Hintergrund mag der Rückgriff auf den Willen des Gesetzgebers überraschend kommen, geht es hier doch gerade nicht um die Auslegung von Gesetzen. Doch natürlich könnten die Richter auch immer wieder die gesetzlichen Weiterentwicklungen in den Blick nehmen, erklärt der Professor für Öffentliches Recht, insbesondere Eigentumsgrundrecht: "Manchmal entwickelt sich das geschriebene Recht in parallelen Fällen weiter und die Rechtsprechung zieht dann eben nach".
Einfluss könnten ebenfalls Rufe aus dem Schrifttum nach einer Ausweitung des Aufopferungsanspruchs gehabt haben, so Shirvani: "In der Literatur wurde die Beschränkung des Anspruchs auf Vermögensschäden bereits seit Längerem moniert". Es sei möglich, dass der BGH dem mit seiner Entscheidung habe nachkommen wollen.
mam/LTO-Redaktion
BGH ändert Rechtsprechung zur Aufopferung: . In: Legal Tribune Online, 11.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24445 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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