Die Riester-Rente ist ein Auslaufmodell, doch bestehende Verträge sollen weiter gelten können. Über einen Passus zu anfallenden Kosten hat nun der BGH entschieden. Das Urteil dazu dürfte viele Sparkassen- und Bankkunden interessieren.
Für Kunden und Kundinnen von Sparkassen und Volksbanken mit Riester-Altersvorsorge lohnt sich ein Blick in den Vertrag. Der Bundesgerichtshof (BGH) erklärte am Dienstag eine Klausel zu Abschluss- und Vermittlungskosten für unwirksam (Urt. v. 21.11.2023, Az. XI ZR 290/22). Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die mehrere Verfahren zu solchen Klauseln gestartet hatte, dürften Hunderttausende Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen sein.
Der BGH gab damit der Klage eines Verbrauchervereins (vgl. § 4 UKlaG) gegen die Sparkasse Günzburg-Krumbach statt. Gegenstand des Rechtsstreits war folgender Passus in einem Riester-Altersvorsorgemodell: "Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggfs. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet."
Diese Formulierung sei für den durchschnittlichen Sparer nicht klar und verständlich, erklärte der Vorsitzende Richter des elften Zivilsenats, Jürgen Ellenberger. Es gebe zum Beispiel nicht mal eine Angabe zur möglichen Höhe der Kosten – obwohl das selbst aus Sicht der Sparkasse möglich gewesen wäre. Betroffene müssten wissen, was auf sie zukommt, betonte Ellenberger. In diesem Fall ließen sich die wirtschaftlichen Folgen jedoch nicht absehen. Leibrenten sind Zusatzrenten, die meist bis zum Tod gezahlt werden.
Diese Unklarheiten führen laut BGH dazu, dass Bankkunden unangemessen benachteiligt werden. Das führe gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zur Unwirksamkeit der Klausel. Damit wendete der BGH also das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) an, welche einer strengeren Wirksamkeitskontrolle unterliegen als individuell ausgehandelte Vertragsbedingungen. Damit widersprachen die Karlsruher Richter der Auffassung der beklagten Bank in einem entscheidenden Punkt.
Echte Klausel oder bloß ein Hinweis?
Der Vertreter der Sparkasse Günzburg-Krumbach hatte vor dem BGH argumentiert, die Passage sei gar keine AGB-Klausel, ja nicht einmal eine Vertragsbedingung. Die Formulierung sei so offen, dass sich aus ihr keine Rechtsfolge ergebe; sie müsse als unverbindlicher Hinweis verstanden werden. Es gehe um einen Vertrag, der nur eventuell und in ferner Zukunft abgeschlossen werde.
Die Frage der Leibrente stellt sich beim Eintritt in die Auszahlungsphase nach der Ansparphase. Nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands beauftragen Kunden und Kundinnen die Sparkasse dann mit dem Abschluss einer sofortigen (Sofortrente) oder aufgeschobenen Leibrente (Auszahlungsplan) mit einem Versicherungsunternehmen. "Erst in diesem Zusammenhang fallen Kosten an, auf die die hier streitige Klausel den Kunden schon bei Vertragsabschluss der Ansparphase hinweist." Diese fielen auch nicht bei der Sparkasse direkt an, sondern bei dem Drittanbieter.
Hingegen sagte die Anwältin der Verbraucherschützer, das – im Vertrag abgekürzte – Wort "gegebenenfalls" mildere nicht ab, dass Kunden mit Kosten belastet werden. Sie bewertete die Formulierung eher als Befugnis der Bank, nach Gutdünken Kosten zu erheben. Auch der XI. Zivilsenat sah in der Passage eine Vertragsklausel i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB.
Für den "durchschnittlichen Sparer" sei der Satz dahingehend zu verstehen, dass er der Bank das Recht vermittle, im Fall der Vereinbarung einer Leibrente insoweit Abschluss- und/oder Vermittlungskosten zu verlangen. Daran ändere auch einerseits nichts, dass keine spezifischen Voraussetzungen in der Formulierung enthalten sind. Andererseits sei auch die fehlende Benennung der Kostenhöhe, weder in Form eines absoluten Betrages noch eines kapitalbezogenen Prozentsatzes, unschädlich. Ferner spricht aus Sicht des Senats auch für den Regelungscharakter der Klausel, dass die Klausel unter der Überschrift "Sonderbedingungen" aufgeführt ist.
Verbraucherschützer: Das macht Riester nicht zu gutem Geschäft
Welche Folgen das Urteil nun konkret hat, blieb zunächst unklar.
Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg ist klar, dass Sparkassen und Versicherungen das Guthaben der Verbraucher nicht mit Kosten belasten dürfen. Wer noch in der Ansparphase sei, dem sei zu raten, das Urteil im Hinterkopf zu haben. Solange es nicht transparent ausgewiesen ist, dürften die Geldinstitute kein Entgelt verlangen. Die Sparkasse Günzburg-Krumbach hat ihren Riester-Vertrag nach Auskunft der Verbraucherzentrale bundesweit angeboten. Auch weitere im Kern gleiche Riester-Sparverträge seien von dem Urteil betroffen, sagte Niels Nauhauser, Abteilungsleiter Altersvorsorge, Banken und Kredite.
Der Sparkassenverband DSGV hatte dagegen vor dem Urteil erklärt, Sparkassen hätten diverse Varianten von "S-Vorsorge Plus"-Verträgen angeboten. "Letztlich gestaltet aber jede Sparkasse ihre Klauseln/Verträge individuell, so dass insoweit keine pauschalen Aussagen gemacht werden können." Inzwischen böten die Institute das Produkt nicht mehr an. Ein DSGV-Sprecher teilte nach dem Urteil mit: "Wir nehmen das Urteil zur Kenntnis, müssen aber für eine Bewertung die schriftliche Urteilsbegründung abwarten." Vor der Verhandlung hatte er für diesen Ausgang des Verfahrens erläutert, die Sparkasse könnte für die beim Drittanbieter entstehenden Kosten Aufwendungsersatz verlangen. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken kündigte an, Auswirkungen des Urteils auf dortige Verträge zu prüfen.
In jüngerer Vergangenheit hat sich der BGH bereits mehrfach mit den AGB von Banken befasst, so beispielsweise im Fall von Kontogebühren aufgrund einer fingierten Zustimmung oder im Fall der Mercedes-Benz-Bank.
dpa/jb/mk/LTO-Redaktion
Intransparente Riester-Verträge: . In: Legal Tribune Online, 22.11.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53229 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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