BGH zum Beherbergungsverbot während der Corona-Pandemie: Geld gibt es auch für nicht stor­nier­bare Buchungen zurück

von Luisa Berger

06.03.2024

Darf ein Hotel seine Gäste wegen eines Beherbergungsverbots nicht aufnehmen, steht diesen ein Rücktrittsrecht zu. Das gilt auch, wenn der Tarif ursprünglich nicht stornierbar war, so der BGH, der dabei tief ins Schuldrecht eintaucht.

Als im Jahr 2020 die COVID-19-Pandemie grassierte, hatten es Gaststätten und Hotels nicht leicht. Über Wochen war es ihnen untersagt, Gäste in ihren Räumlichkeiten zu beherbergen – in vielen Fällen ein großer geschäftlicher Verlust, der nicht so einfach wegzustecken ist. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass Hotelgäste, die ihre Zimmer schon im Voraus gezahlt hatten, ihr Geld zurückbekommen, wenn nach der Buchung ein Beherbergungsverbot die Reise unmöglich macht. Die Revision des in diesem Fall beklagten Hotels hat der Senat damit zurückgewiesen (Urt. v. 06.03.2024, Az. VIII ZR 363/21).

Geklagt hatte eine Frau, die Doppelzimmer für sich und vier weitere Personen in einem Hotel in Lüneburg gebucht hatte. Die gemeinsame Reise sollte im Mai 2020 stattfinden. Der gewählte Tarif war nicht stornierbar und den Preis für die Unterkunft zahlte die Frau im Voraus. Als das Land Niedersachsen dann aber eine Verordnung zur Bekämpfung der sich ausbreitenden Corona-Pandemie erließ, fiel die Reise ins Wasser. Dem Hotel war es für den Zeitraum der Buchung untersagt, Touristen zu beherbergen.

Eine Woche vor dem geplanten Check-in erklärte die klagende Frau gegenüber dem Hotel per E-Mail, sie "storniere" die Buchung und bitte um Rückzahlung des bereits im Vorfeld entrichteten Entgelts. Das Hotel lehnte aber sowohl ab, der Frau den Zimmerpreis zurückzuzahlen, als auch die Buchung um ein Jahr zu verschieben. Lediglich zu einer Umbuchung auf die Zeit nach Aufhebung der Beschränkungen war das Hotel bereit, die aber nicht später als bis zum 30. Dezember 2020 hätte erfolgen sollen.

Darauf ließ sich die Frau nicht ein und klagte erfolgreich vor dem Amtsgericht (AG) Charlottenburg und in zweiter Instanz vor dem Landgericht (LG) Berlin auf Rückzahlung des entrichteten Entgelts. Nun sprach auch der BGH der Frau einen Anspruch nach § 346 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB; Wirkung des Rücktritts) auf Rückzahlung des Beherbergungsentgelts zu.

Bloßes Abwarten auf Besserung der Corona-Situation nicht zumutbar

Mit ihrer E-Mail sei die klagende Hotelkundin wirksam gemäß §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 4 BGB von dem Beherbergungsvertrag zurückgetreten, so der BGH. Dem Hotel war es durch die Landesverordnung auch im fraglichen Buchungszeitraum untersagt, die Hotelzimmer an die Touristen zu überlassen. Insofern sei es dem Hotel damit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB rechtlich unmöglich geworden, die geschuldete Leistung – also die Beherbergung – zu erbringen.

In Fällen wie diesem ist ein Beherbergungsverbot laut BGH als dauerndes Leistungshindernis zu verstehen, denn die klagende Frau habe durch die Buchung deutlich gemacht, das Hotelzimmer nur für den gewünschten Zeitraum nutzen zu wollen. Da dies durch das Verbot nicht mehr möglich war, sei die Erreichung des Vertragszwecks infrage gestellt.

Der Frau sei auch nicht zuzumuten, einfach abzuwarten, bis das Verbot aufgehoben ist, so der Senat. Wegen des "wechselhaften Infektionsgeschehens" während der Pandemie sei schlicht nicht absehbar gewesen, wann Übernachtungen in Hotels wieder möglich sein würden.

Gast für Beherbergungsverbot nicht verantwortlich

Auch dass die Verlängerung des Beherbergungsverbots erst einen Tag nach dem Rücktritt per Mail erfolgte, ändere am Ergebnis nichts, so der BGH. Denn § 323 Abs. 4 BGB erlaube es einem Gläubiger, auch vor Fälligwerden der Leistung zurückzutreten, wenn offensichtlich ist, dass die Voraussetzungen des Rücktritts eintreten werden. So lag es nach Auffassung des BGH hier: Die klagende Frau habe "im Hinblick auf die bis dahin erfolgte Entwicklung der pandemiebedingten Beschränkungen des öffentlichen Lebens im Frühjahr 2020" und der von der Landesregierung erst für einen späteren Zeitpunkt geplanten Öffnungschritte "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen" dürfen, dass dem Hotel auch zum Buchungszeitraum noch keine Beherbergung erlaubt sein würde.

Die Karlsruher Richter stellten außerdem klar, dass das Rücktrittsrecht der Frau auch nicht gemäß § 326 Abs. 5, § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen war. Die Unmöglichkeit der Übernachtung sei kein in der Person des Gastes liegender Umstand (i.S.v. § 537 Abs. 1 Satz 1 BGB), sondern Folge "umfangreicher staatlicher Eingriffe in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie, mit der sich ein die Gesellschaft als Ganzes treffendes allgemeines Lebensrisiko verwirklicht hat." Ein solches sei von der mietvertraglichen Risikoverteilung nach § 537 BGB jedoch nicht erfasst. 

Auch den letzten juristischen Strohhalm – die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) – schnitt der BGH dem beklagten Hotel ab: Die gesetzlichen Regelungen über die Unmöglichkeit der Leistung seien abschließend. Für die Anwendung der Regelung über die Störung der Geschäftsgrundlage bleibe entsprechend kein Raum.

lmb/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BGH zum Beherbergungsverbot während der Corona-Pandemie: . In: Legal Tribune Online, 06.03.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54046 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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