Ein Gynäkologe filmte den Intimbereich seiner Patientinnen mit versteckter Kamera, um seine sexuelle Lust zu befriedigen. Damit hat er in verbotener Weise das Arzt-Patientinnen-Verhältnis ausgenutzt, wie der BGH nun bestätigte.
In der Entscheidung drehte es sich vor allem um das Wörtchen "wegen". "Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer (...) körperlichen Krankheit oder Behinderung zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut ist, unter Mißbrauch des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft", formuliert § 174c des Strafgesetzbuches (StGB). Die Norm soll sicherstellen, dass z. B. Ärztinnen und Ärzte nicht ihre besondere Vertrauensstellung in einem Behandlungsverhältnis nutzen, um ihre sexuelle Lust zu befriedigen. Dies schließt auch gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen ein, bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Montag veröffentlichten Beschluss (Beschl. v. 02.02.2021, Az. 4 StR 364/19).
Zugrunde lag der Fall eines Gynäkologen, der in mehreren Fällen Patientinnen, die ihn im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung aufgesucht hatten, auf seinem Behandlungsstuhl, in untersuchungstypischer Pose mit gespreizten Beinen und entblößtem Genitalbereich, gefilmt hatte. Der Mediziner ging dabei extrem planvoll vor, hatte etwa eine Kamera in der Auffangschale des gynäkologischen Stuhls platziert, eine andere trug er getarnt als Kugelschreiber in der Brusttasche seines Kittels. Zudem stellte er bei den Untersuchungen den Stuhl so ein, dass die Patient:innen Schwierigkeiten hatten, ihn während der Untersuchung zu sehen. Nach den Feststellungen des Landgerichts (LG) Dortmund hatte er die Bilder und Videoaufnahmen allein aus sexueller Motivation gefertigt. Seine Taten hatte der Arzt schließlich gestanden. Die Strafkammer verurteilte ihn wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses nach § 174c Abs. 1 StGB zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung.
Dabei war sie davon ausgegangen, dass es sich bei der Vorsorgeuntersuchung um eine Behandlung, bzw. Beratung wegen einer körperlichen Krankheit handelte. Die Krux war, ob dieser Wortlaut nicht das Bestehen einer solchen Erkrankung bereits voraussetzt - was bei Vorsorgeuntersuchungen oft gar nicht der Fall ist. In einem solchen Fall wäre wohl lediglich eine Verurteilung wegen der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen gem. § 201a StGB in Frage gekommen, der hier aber - aufgrund seiner geringeren Strafandrohnung von maximal zwei Jahren - bereits verjährt war.
BGH: Abhängigkeitsverhältnis auch bei Vorsorgeuntersuchung
Die Strafkammer hatte ihr Urteil damit begründet, dass auch Vorsorgeuntersuchungen zu den relevanten Tätigkeiten zählen müssten, da auch hier ein schützenswertes Vertrauensverhältnis entstehe. Tatsächlich wird in der strafrechtlichen Literatur als Schutzzweck neben der nahezu immer geltenden sexuellen Selbstbestimmung besonders die Störungsfreiheit des Behandlungsverhältnisses zugrundegelegt. Hiermit wollte der Gesetzgeber Personen in Abhängigkeitsbeziehungen schützen, wie sie typischerweise zwischen Patient:innen und behandelnden Ärzten bestehen. Urteile existieren zu diesem Tatbestand bisher nur wenige, die Dunkelziffer gilt als hoch. Der Gesetzgeber selbst schätzte die Fallzahl auf einige Hundert pro Jahr.
Auf die Revision des Angeklagten schloss sich der BGH nun der Sichtweise des LG Dortmund an und bestätigte die Verurteilung. Es sei nicht erforderlich, dass tatsächlich eine behandlungsbedürftige Krankheit vorliege, sofern nur die betroffene Person eine Behandlungs- oder Beratungsbedürftigkeit empfinde. Entscheidend sei vielmehr die Autoritätsposition der Ärztinnen oder Ärzte und die daraus entstehende psychische Hemmung, sich gegen unerwünschte Handlungen zu Wehr zu setzen.
"Wegen" heißt auch "in Hinsicht auf"
Schließlich ging der 4. Strafsenat auch noch in die Exegese des Wortlautes "wegen" im Tatbestand des § 174c StGB ein. Dieser sei laut Lexikon synonym nicht nur für Bezeichnungen wie "infolge" oder "auf Grund", sondern auch für "in Hinsicht auf" zu gebrauchen. Damit könne auch erfasst sein, wer aufgrund bestimmter Risikofaktoren nur wegen einer körperlichen Krankheit allgemein besorgt sei oder eine Versicherung die Untersuchung zur Prävention nahegelegt habe. Dies entspreche auch der Intention des Gesetzgebers, der sich auf die Vertrauensstellung der Ärztinnen und Ärzte konzentriert hatte, die bei Vorsorgeuntersuchungen in gleicher Weise vorhanden sei.
Zu klären war im Übrigen noch, ob die Behandlung im Rahmen einer ärztlichen Tätigkeit eine "sexuelle Handlung" im Sinne des Tatbestandes ist. Unter dem Begriff der sexuellen Handlung wird in im Sexualstrafrecht eine große Bandbreite an Handlungen mit sexuellem Bezug zusammengefasst. Bislang galt als umstritten, ob medizinische Behandlungen darunter fallen konnten. Der BGH bejahte nun auch dies, da die Berührungen und Penetrationen im Genitalbereich unter diesen Umständen schon nicht regelgerecht erfolgt seien. Dies insbesondere, da der Untersuchungscharakter der jeweiligen Handlungen aufgrund der versteckten Kameras durch ihren Sexualbezug überlagert worden sei.
Maximilian Amos, BGH bestätigt Verurteilung eines Gynäkologen: . In: Legal Tribune Online, 22.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44552 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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