Ein Wirtshaus ist durchaus ein "bargeldintensiver Betrieb" - und Gastronomen mit altmodischer analoger Kasse können Einnahmen ohne große Mühe vor dem Fiskus verstecken. Beklagenswert, aber nicht verfassungswidrig, urteilt der BFH.
Auf Deutschlands Wirte kommt im Kampf der Finanzbehörden gegen Steuerhinterziehung vorerst keine Pflicht zur Einführung manipulationssicherer Kassen zu. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem am Freitag veröffentlichten Urteil die Klage eines schwäbischen Gastronomen und Rechtsanwalts zurückgewiesen, der eine Pflicht für fälschungssichere Kassen durchsetzen wollte (Urt. v. 16.09.2021 - IV R 34/18).
Der klagende auf das Steuerrecht spezialisierte Anwalt wirft Staat und Steuerbehörden vor, in der Gastronomie "massenhafte Steuerhinterziehung" zu tolerieren. Er argumentiert, dass die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Kasse zur verfassungswidrigen Ungleichbehandlung der Wirte führe: Gastronomen mit manipulationssicheren Kassen können ihre Einnahmen kaum vor dem Finanzamt verstecken - anders als Wirte, die altmodische analoge Kassen haben oder die Einnahmen in der Schublade aufbewahren.
Er selbst nutzt in seinen Gaststätten elektronische Registrierkassen. Mit seiner Klage begehrte er deshalb die Feststellung, dass die fehlende gesetzliche Verpflichtung zur Führung einer elektronischen Kasse ein strukturelles, dem Gesetzgeber zuzurechnendes Vollzugsdefizit verursache und deshalb verfassungswidrig sei. Die Kläger müssen in Steuerprozessen immer den Steuerbescheid eines bestimmten Jahres anfechten, die vorliegende Klage bezog sich auf das Jahr 2015.
Keine Ladenkassen im Koalitionsvertrag
Dass es Wirte gibt, die ihre Einnahmen verschleiern, bezweifelt unter Steuerfachleuten niemand. Dementsprechend stellte der vierte Senat des BFH in seinem Urteil zwar fest, dass es Mängel bei der Besteuerung der Gastronomie gibt. Doch sind diese laut Urteil nicht so gravierend, dass die Besteuerung deswegen verfassungswidrig und dem Gesetzgeber zuzurechnen wäre. "Auch für Betreiber einer offenen Ladenkasse bestand ein Entdeckungsrisiko bei Manipulationen", heißt es in der Mitteilung des höchsten deutschen Finanzgerichts. Die im Jahr 2015 geltenden Erhebungsregeln seien jedenfalls nicht derart ineffektiv gewesen, dass ein Unterlassen weiterer Regelungen bezüglich der Besteuerung von Betrieben mit offener Ladenkasse im Bereich der Gastronomie dem Gesetzgeber als strukturelles Vollzugsdefizit angelastet werden könnte.
Die Senatsvorsitzende Monika Jachmann-Michel hatte schon in der mündlichen Verhandlung im September Zweifel an der Einschätzung erkennen lassen, dass die Behörden Steuerhinterziehung systematisch tolerieren oder erleichtern: "Wir haben keinerlei Vorgaben für die Finanzverwaltung, in denen steht, ihr dürft nicht prüfen."
Große Mängel bei der Besteuerung bargeldintensiver Betriebe hatte aber nicht nur der Wirt vom Bodensee beklagt, sondern auch die Deutsche Steuergewerkschaft (DSTG). Darunter fallen die Gastronomie ebenso wie der Einzelhandel oder Spielhallen. Das Bundesfinanzministerium - noch unter Regie des heutigen Kanzlers Olaf Scholz (SPD) - hatte widersprochen.
Die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwar die Bekämpfung des Steuerbetrugs mit "größtmöglicher Konsequenz" angekündigt, und will dabei auch "neue Technologien" einsetzen. Zu Ladenkassen findet sich dort aber nichts Konkretes.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
BFH zur Besteuerung der Gastronomie: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46974 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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