Drei Wahlen, ein Volksentscheid, fünf Stimmzettel, sechs Kreuze – die Stimmabgaben in Berlin am Sonntag waren für die Wähler zeitaufwendig und mit Pannen behaftet. Eine Wiederholung der Wahl wird es aber nicht geben.
Trotz zahlreicher Pannen bei den Wahlen am Sonntag sieht der Berliner Senat bisher keinen Anlass für eine Wiederholung der Abgeordnetenhauswahl. "Aus dem, was dem Senat bisher bekannt ist, ergeben sich noch keine Anhaltspunkte dafür, dass so schwerwiegende Fehler da sind, dass eine Wahlwiederholung unmittelbar bevorsteht", sagte Christian Gaebler (SPD), Chef der Senatskanzlei, am Dienstag nach der Senatssitzung, bei der über das Thema beraten wurde. "Wir sollten in Ruhe abwarten, bis das analysiert ist."
Eine vollständige Aufklärung der Probleme wird noch dauern. Bisher gebe es keinen kompletten Überblick, sagte Geert Baasen, Leiter der Geschäftsstelle der Landeswahlleiterin. Wegen der Abfragen bei den zwölf Berliner Bezirken, die wiederum bei den Wahlvorständen der zahlreichen Wahllokale Informationen einholen müssten, werde das nicht schnell gehen. "Das wird umfangreich." Diese Woche werde noch kein Ergebnis dazu vorliegen. Offen ist derzeit noch, wie viele Stimmzettel fehlten, wie lange Wartezeiten tatsächlich waren und wann die letzte Stimme abgegeben wurde.
Auch Gaebler räumte ein, dass die Organisation vor Ort an der einen oder anderen Stelle offensichtlich an Grenzen gekommen sei. "Das muss ausgewertet werden. Da war sich der Senat heute auch einig", sagte er. "Die Verantwortung für die Organisation liegt bei der Landeswahlleitung und den Bezirkswahlleitungen. Die müssen jetzt berichten, was an Problemen aufgetreten ist. Und dann müssen daraus auch Konsequenzen gezogen werden an allen denkbaren Stellen."
Anfechtung erst nach dem amtlichen Endergebnis möglich
In Berlin, wo Bundestagswahl, Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksparlamenten sowie ein Volksentscheid kombiniert waren, mussten manche Wählerinnen und Wähler am Sonntag teilweise noch bis weit nach 18.00 Uhr warten. Viele Wählerinnen und Wähler brauchten wegen der fünf verschiedenen Stimmzettel wohl sehr lange, bis sie ihre sechs Kreuze gemacht hatten. Das verzögerte den Ablauf beträchtlich. Mancherorts fehlten Stimmzettel.
Vormittags lief zudem gleichzeitig der Berlin-Marathon. Der Bundeswahlleiter forderte einen Bericht von der Landeswahlleitung an. Eine Anfechtung der Wahl wäre erst nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses am 14. Oktober möglich.
Landeswahlleiterin Petra Michaelis hatte am Montag Probleme eingeräumt, personelle Konsequenzen aber abgelehnt. Um die 100 der 2.257 Berliner Wahllokale hätten nach ersten Einschätzungen Schwierigkeiten gehabt. Man habe genug Stimmzettel vorbereitet, rund 110 bis 120 Prozent des Bedarfs. Für die örtliche Bestellung und Verteilung auf die Wahllokale seien aber die jeweiligen Bezirkswahlleitungen zuständig. "Wie die Stimmzettel von den Bezirken auf die Wahllokale verteilt werden, das weiß die Landeswahlleiterin nicht."
Harbarth: "Nicht jeder Mangel führt zur Ungültigerklärung"
Nach Einschätzung von Bundesverfassungsgerichtspräsident Stephan Harbarth gefährden die Pannen aber nicht zwangsläufig das Ergebnis der Bundestagswahl. Harbarth sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nicht jeder Mangel führe allerdings zur Ungültigerklärung der Wahl. Selbst wenn möglicherweise die gesetzmäßige Zusammensetzung des Bundestags berührt sein sollte, müsse eine Wahl nicht notwendig wiederholt werden. "Grundsätzlich gilt: Das Interesse an der Bestandserhaltung einer gewählten Volksvertretung ist gegen die Auswirkungen des Wahlfehlers abzuwägen."
Auch die Wahlbeobachtenden der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) registrierten die Pannen bei der Wahl in Berlin. Die Leiterin des Teams, das die Bundestagswahl in Deutschland beobachtete, Lolita Cigane, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag), aus den einzelnen Vorfällen in den Wahllokalen könnten sie keine Schlussfolgerungen für ganz Deutschland ziehen, "weil wir nicht alle Wahllokale beobachtet haben". Sie fügte hinzu: "Aber wir haben sie natürlich notiert und auch beobachtet, was die Presse berichtet hat." Vor den Wahlen habe sich gezeigt, dass es in Deutschland ein hohes Vertrauen in das Wahlsystem gebe.
Das Wahlbeobachter-Team der OSZE war mit vier Expert:innen in Berlin unterwegs. Sie konzentrierten sich dabei auf Bereiche wie die Wahlkampagne, Briefwahl und die Kampagnenfinanzierung. In rund einem Monat veröffentlicht die OSZE ihren Bericht über die deutsche Bundestagswahl, wie RND berichtet.
dpa/mgö/LTO-Redaktion
Berlin: . In: Legal Tribune Online, 28.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46143 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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