BAG zu Rückkehr aus Corona-Risikogebiet: Lohn­an­spruch bei nega­tivem PCR-Test

10.08.2022

Ein Arbeitgeber darf kein generelles Betretungsverbot für Angestellte aussprechen, die aus einem Risikogebiet zurückkehren. Bei Vorlage eines negativen PCR-Tests muss der Arbeitnehmer nicht in Quarantäne – und darf arbeiten, so das BAG. 

 

Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich ein Arbeitnehmer erfolgreich gegen eine betriebliche Anordnung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gewehrt. Trotz Vorlage eines negativen PCR-Tests hatte seine Arbeitgeberin ihm nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ein 14-tägiges Betretungsverbot für das Betriebsgelände erteilt – und ihm in der Zeit keinen Lohn gezahlt. In einem solchen Fall schuldet die Arbeitgeberin Vergütung wegen Annahmeverzugs, so das BAG (Urt. v. 10.08.2022, Az. 5 AZR 154/22).

Der Kläger ist als Leiter der Nachtreinigung bei dem beklagten Unternehmen, das am Standort Berlin Lebensmittel für den Handel produziert, beschäftigt. Der Betrieb erstellte zum Infektionsschutz ein Hygienekonzept. Dieses ordnete für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die aus einem vom Robert-Koch-Institut (RKI) ausgewiesenen Risikogebiet zurückkehren, eine 14-tägige Quarantäne mit Betretungsverbot des Betriebs an. Ein Entgeltanspruch sollte ihnen in dieser Zeit nicht zustehen. 

Die SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung des Landes Berlin vom 16. Juni 2020 sah nach Einreise aus einem Risikogebiet grundsätzlich eine Quarantänepflicht für einen Zeitraum von 14 Tagen vor. Allerdings gab es davon Ausnahmen: Nicht in Quarantäne mussten symptomfreie Personen mit negativem PCR-Test, der höchstens 48 Stunden vor der Einreise vorgenommen wurde.

BAG: Arbeitgeberin in Annahmeverzug

Der Kläger reiste im August 2020 wegen des Todes seines Bruders in die Türkei, die zu dieser Zeit als Corona-Risikogebiet ausgewiesen war. Vor der Rückreise unterzog er sich einem Corona-PCR-Test. Dieser sowie der erneute Test nach Ankunft in Deutschland waren negativ. Der Arzt des Klägers attestierte ihm Symptomfreiheit. 

Dennoch verweigerte seine Arbeitgeberin ihm für die Dauer von 14 Tagen den Zutritt zum Betrieb und zahlte keinen Lohn. Dagegen klagte er und verlangte Vergütung in Höhe von 1.512,47 Euro brutto – mit Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte der Klage stattgegeben (Urt. v. 02.03.2022, Az. 4 Sa 644/21). Und auch die hiergegen gerichtete Revision der Arbeitgeberin hatte vor dem BAG nun keinen Erfolg.

Die Arbeitgeberin befand sich mit der Annahme der vom Kläger angebotenen Arbeitsleistung in Annahmeverzug. Das Betretungsverbot des Betriebs führte nicht zur Leistungsunfähigkeit des Klägers nach § 297 BGB. Vielmehr war die Arbeitgeberin selbst für die Nichterbringung der Arbeitsleistung verantwortlich. 

Sie hat nicht dargelegt, dass ihr die Annahme der Arbeitsleistung des Klägers aufgrund der konkreten betrieblichen Umstände unzumutbar war.

Arbeitgeberin hätte weiteren PCR-Test verlangen müssen

Zudem war die Weisung, dem Betrieb für die Dauer von 14 Tagen ohne Fortzahlung des Arbeitsentgelts fernzubleiben, unbillig nach § 106 GewO und daher unwirksam. 

Die Arbeitgeberin hat dem Kläger nicht die Möglichkeit gegeben, durch einen weiteren PCR-Test eine Infektion weitgehend auszuschließen. 

Hierdurch hätte sie den nach § 618 Abs. 1 BGB erforderlichen und angemessenen Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erreichen und einen ordnungsgemäßen Betriebsablauf sicherstellen können.

Betretungsverbot nur in Betriebsvereinbarung möglich

Dr. Sven Lohse, Associated Partner der Kanzlei Noerr in Düsseldorf und Fachanwalt für Arbeitsrecht empfiehlt Unternehmen, ihre Hygienekonzepte zu prüfen und ggf. zu überarbeiten. "Sieht das Hygienekonzept eines Unternehmens zum Schutz sämtlicher Mitarbeiter eine strengere als die gesetzliche Quarantänepflicht vor, verliert der Mitarbeiter bei einem Betretungsverbot des Betriebs nicht seinen Anspruch auf Vergütung. Wirksam könnte möglicherweise ein solches Betretungsverbot und ein damit verbundener Verlust des Vergütungsanspruchs nur sein, wenn sich Arbeitgeber und Betriebsrat zuvor in einer Betriebsvereinbarung darauf verständigt haben", so Lohse.

Eine Maskenpflicht etwa können Betriebe allerdings grundsätzlich vorschreiben, erklärt Dr. Boris Alles, Partner und Fachanwalt für Arbeitsrecht bei CMS Deutschland: "Arbeitgeber können weiterhin Corona-Schutzmaßnahmen in den Betrieben implementieren, die das 'Wie' der Arbeitsleistung betreffen, zum Beispiel das Tragen von Masken. Sobald aber das Ob der Arbeitsleistung betroffen ist und ein Betretungsverbot implementiert werden soll, wird dies ohne gesetzliche Grundlage nur in engen Ausnahmefällen – insbesondere auf der Basis entsprechender Betriebsvereinbarungen – möglich sein", erklärt Alles.

 

fkr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BAG zu Rückkehr aus Corona-Risikogebiet: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49284 (abgerufen am: 16.11.2024 )

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