Die Bundesrepublik Deutschland darf eine somalische Asylbewerberin vorläufig nicht nach Italien überstellen, da das Land seinen Flüchtlingsschutzpflichten nicht ausreichend nachkommt. Dies entschied das VG mit am Mittwoch bekannt gewordenen Beschluss.
Das Verwaltungsgericht (VG) Darmstadt hat der Bundesrepublik im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig untersagt, eine somalische Asylbewerberin nach Italien zu überstellen (Beschl. v. 25.04.12., Az. 4 L 488/12 DA.A). Die Kammer gelangte auch unter Berücksichtigung der allgeim bekannten Informationen über die tatsächliche Ausgestaltung des Flüchtlingsschutzes in Italien zu der Einschätzung, dass das Land ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Menschenrechtscharta und der Genfer Flüchtlingskonvention nebst Zusatzprotokollen gegenwärtig nicht mehr hinreichend nachkommt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass sich Italien schutzsuchenden Ausländern ohne jede Prüfung des Gesuches entledigen wolle und nicht mehr willens oder in der Lage sei, die europaweiten Mindeststandards zur Durchführung von Asylverfahren und zur Flüchtlingsunterbringung zu gewährleisten.
Die Asylbewerberin war über Italien in die Europäische Union (EU) gelangt. Nach der sogenannten "Dublin-II-Verordnung" ist derjenige EU-Mitgliedsstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, in dessen Staatsgebiet ein Asylbewerber das Gebiet der EU erstmalig betritt. Dessen ungeachtet hatte sich die Bewerberin nach Deutschland begeben und hier einen Asylantrag gestellt. Grundsätzlich wird vermutet, dass der für die Durchführung des Asylverfahrens nach der Dublin-II-Verordnung zuständige Staat die Grundrechte der Europäischen Grundrechtecharta beachtet. Asylbewerber, die in einem anderen Staat um Schutz suchen, müssen daher mit ihrer Überstellung an den eigentlich zuständigen Staat rechnen.
Dieser Grundsatz erfährt nach der Entscheidung des VG dann eine Durchbrechung, wenn in dem eigentlich zuständigen Mitgliedsstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylverfahren vorliegen, welche dazu führen, dass von einer unmenschlichen, den Asylbewerber erniedrigenden Behandlung im Sinne der EU-Grundrechtecharta auszugehen ist. Der Beschluss des VG ist unanfechtbar.
una/LTO-Redaktion
VG Darmstadt zum Asylrecht: . In: Legal Tribune Online, 10.05.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6172 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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