"Niemand soll ins Bergfreie fallen" - auf die Einhaltung dieses wiederholten Versprechens pochen weiterhin viele Bergleute im Ruhrgebiet. Mehr als 100 haben gegen ihre Kündigung geklagt, 13 von ihnen haben nun einen Teilerfolg errungen.
Etwa 100 Demonstranten standen am Dienstagmorgen vor dem Gelsenkirchener Arbeitsgericht (ArbG). Parolen wie "Bergleute fallen ins Bergfreie!" oder "Nach 30 Jahren Zechenmaloche zum Arbeitsamt" zieren die Transparente. Anlass sind mehrere Kündigungsschutzklagen von ehemaligen Bergleuten des Steinkohle-Bergwerks Prosper-Haniel gegen die RAG AG, die das Arbeitsgericht Gelsenkirchen am Dienstag verhandelte.
Die Kohleförderung war 2018 eingestellt worden. Die RAG hatte die Kündigungen zum Jahresende 2019 ausgesprochen. Die klagenden Kumpel hatten unter anderem argumentiert, dass eine Kündigung nicht gerechtfertigt sei, weil weiterhin genügend Arbeit in den Betrieben der RAG vorhanden sei. Versuche einer außergerichtlichen Einigung waren zuvor gescheitert.
Die 13 Kumpel konnten nun einen Etappensieg erringen. Das ArbG Gelsenkirchen erklärte die Kündigungen für unwirksam. Die Kammer begründete ihre Entscheidung zum einen damit, dass bei dem im März 2019 zwischen Arbeitgeber und Prosper-Haniel-Betriebsrat vereinbarten Interessenausgleich eigentlich der Gesamtbetriebsrat zuständig gewesen wäre. Die Maßnahme habe nicht nur das Bergwerk selbst, sondern auch andere RAG-Betriebe betroffen. Zum anderen sei bei der Versetzung in weitergeführte Betriebe eine Sozialauswahl unterblieben. Den Antrag der Kläger auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zu einem endgültigen Urteil lehnte das Gericht aber ab und bezeichnete dies als wirtschaftlich unzumutbar für das Unternehmen.
Der Vorsitzende Richter, Gerichtsdirektor Stefan Kröner, geht davon aus, dass die RAG gegen die Urteile Berufung zum Landesarbeitsgericht Hamm einlegen wird. Bis zum 23. März werden in Gelsenkirchen noch weitere 124 Kündigungsschutzklagen von insgesamt vier Kammern verhandelt.
Unmut bei den Bergleuten, Unverständnis bei der RAG
Ahmet Cöl, einer der Kläger, sagte vor der Verhandlung, er habe gegen die Kündigung geklagt, "weil noch genügend Arbeit bei der RAG vorhanden ist". Der 47-Jährige Hauer, der zuletzt auf der Zeche Prosper Haniel arbeitete, hatte die Demonstration angemeldet. "An unserer Stelle werden dort jetzt Drittfirmen beschäftigt." Von der RAG sei ihm kein gleichwertiger Job angeboten worden. Ein Wechsel in eine Transfergesellschaft sei für ihn nicht in Frage gekommen, weil dies eine deutliche Schlechterstellung bedeutet hätte.
Im November hatte das Gericht vier Klagen abgewiesen. In mindestens drei Fällen haben die Bergleute laut Gericht Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt. In einem weiteren Fall hat das Gericht der Klage eines Kauenwärters stattgegeben.
Die RAG wollte vor einer Stellungnahme das Urteil zunächst prüfen. Ein Sprecher betonte am Dienstag jedoch, dass die Betroffenen bis Ende 2019 die Möglichkeit gehabt hätten, in eine Transfergesellschaft einzutreten, um sich bis Ende 2020 für den externen Arbeitsmarkt weiter zu qualifizieren und zu einem anderen Arbeitgeber vermittelt zu werden - "bei finanzieller Absicherung während dieses Zeitraums". Leider hätten rund 150 Mitarbeiter alle Lösungen abgelehnt. Er unterstrich, dass es innerhalb des Unternehmens keine Einsatzmöglichkeiten für die klagenden Mitarbeiter mehr gebe. "Bei den bei Schachtverfüllung und ähnlichen Arbeiten an Schächten zum Einsatz kommenden Fremdfirmen handelt es sich um Bergbau-Spezialunternehmen, die seit Jahren entsprechende Arbeiten für RAG übernehmen", so der Sprecher weiter.
ast/dpa/LTO-Redaktion
ArbG Gelsenkirchen: . In: Legal Tribune Online, 28.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39965 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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