Generalbundesanwalt erhebt Anklage gegen Hanna S.: Vor­würfe wegen Tät­lich­keiten am "Tag der Ehre"

von Tanja Podolski

08.10.2024

Der GBA hat gegen eine mutmaßliche Linksextremistin Anklage erhoben: Hanna S. soll Teil einer Gruppe mit Maja T. gewesen sein, die in Ungarn tätlich gegen Rechtsextreme vorging. T. war im Juli über Nacht nach Ungarn ausgeliefert worden.

Der Generalbundesanwalt (GBA) hat gegen eine mutmaßliche Linksextremistin Anklage vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts (OLG) München erhoben. Angeschuldigt ist Hanna S., eine Frau mit deutscher Staatsangehörigkeit. Sie gehört laut der Anklageschrift zu einer Gruppe, die in Budapest auf Rechtsextreme eingeschlagen haben soll. Die schnelle Auslieferung Maja T.s über Nacht nach Ungarn wegen der gleichen Vorwürfe hatte im Juli für deutliche Kritik und erhebliche Bedenken auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in Hinblick auf die Abläufe bei der Überstellung gesorgt.

Bei der jetzt in München angeklagten S. geht es um die gleichen Vorwürfe wie bei T: S. soll mit T. und anderen Anfang 2023 nach Ungarn gereist sein. Dort soll sie Leuten aus der rechtsextremen Szene aufgelauert, sie verfolgt und dann mit Teleskopschlagstöcken auf sie eingeschlagen haben. Die mutmaßlichen Täter:innen werden von den Behörden als linksextremistisch eingeordnet.

Die Generalbundesanwaltschaft sagt dazu, die Vorfälle hätten sich anlässlich des "Tags der Ehre" ereignet, zu dem Rechtsextremisten aus ganz Europa jedes Jahr nach Budapest kommen, "um des Ausbruchsversuchs der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt am 11. Februar 1945 zu gedenken".  

Konkret soll S. an zwei Überfällen auf insgesamt drei Personen beteiligt sein. "In beiden Fällen verfolgte die Gruppierung die Opfer zunächst für eine kurze Zeit unauffällig, um sodann mit Schlagwerkzeugen blitzartig einen zeitlich begrenzten Angriff von etwa 30 Sekunden auszuführen", so der GBA. In einem Fall soll S. eine Person am Boden festgehalten haben, während jemand anderes aus der Gruppe auf diese Person weiter einschlug. Die Bundesanwaltschaft ist in ihrer Anklage der Auffassung, dass der Tod der betroffenen Person in Kauf genommen worden sei. Darin begründet sich in dieser Konstellation der strafrechtliche Vorwurf: Die Anklage lautet neben Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung gem. § 129 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) auf versuchten Mord (§ 211 Abs. 2, §§ 22, 23 StGB) sowie gefährliche Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 StGB).

S. war im Mai 2024 festgenommen worden, sie befindet sich in Nürnberg in Untersuchungshaft.  

Mord oder "Eskalation des Verfahrens"?

Für den Anwalt von S., Yunus Ziyal aus Nürnberg, ist der Vorwurf des versuchten Mordes eine "Eskalation des Verfahrens". Denn der Bundesgerichtshof (BGH) habe bereits beim Haftbefehl einen entsprechenden Antrag des GBA abgelehnt. Der GBA habe den Haftbefehl nämlich auch auf versuchten Mord laufen lassen wollen, wohingegen sich der BGH auf den Vorwurf der kriminellen Vereinigung und der gefährlichen Körperverletzung beschränkt habe. Die Begründung des BGH sei gewesen, dass es an dem notwendigen Tötungsvorsatz gefehlt habe. So habe der BGH nicht nur bei S., sondern auch bei der nach Ungarn ausgelieferten Maja T. argumentiert, sagt Ziyal.

"Das Handeln des GBA lässt vermuten, dass hier keine nüchterne juristische Prüfung zu Grunde liegt, sondern übergeordnete Ziele verfolgt werden", so der Anwalt. Dafür wertet er auch die Tatsache, dass im Budapest-Komplex seit eineinhalb Jahren nach weiteren Antifaschist:innen gefahndet werde. Von diesen habe ein Großteil erklärt, sich einem Verfahren in Deutschland zu stellen, wenn eine Zusicherung erfolge, dass keine Auslieferung nach Ungarn erfolge.  

Die Frage ist jedoch, ob der GBA überhaupt eine solche Zusicherung abgeben könnte, denn zuständig für Auslieferungsersuchen sind die Generalstaatsanwaltschaften. Der GBA müsste die inhaftierte Person in dem behördlichen Verfahren allerdings zur Auslieferung freigeben. Für Anwalt Ziyal steht fest: "Es war als deutliches Signal an die Gesuchten zu werten, dass statt einer Zusicherung, im Gegenteil Maja T., einem erwarteten Eilbeschluss des Bundesverfassungsgerichts zuvorkommend, rechtsstaatswidrig ausgeliefert wurde".  

Der nächste Schritt im Fall von S. wäre die Zulassung der Anklage durch das OLG München. Sicherheit gegen eine Auslieferung bringt das für S. nicht: Zwar ist nach den Erkenntnissen von LTO bisher bei der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg kein Auslieferungsverfahren anhängig. Ein solches Gesuch können die ungarischen Behörden allerdings nach Aussage von Anwalt Ziyal aber immer noch stellen.  

Bisher keine Terminierung des Verfahrens gegen T. in Budapest

Im Verfahren gegen T. in Budapest "stehen noch keine Termine fest", sagt der Anwalt von T., Sven Richwin, auf LTO-Anfrage. Es gebe zwar Hinweise auf einen Prozessbeginn im Dezember, aber das sei noch nicht konkret. Maja gehe es tatsächlich gerade schlecht, insbesondere aufgrund der – inzwischen seit Monaten – anhaltenden Isolationshaft bei dauerhafter Kameraüberwachung. "Die Gefängnisverwaltung hat offenbar den Auftrag, die non-binäre Identität von Maja zu berücksichtigen, hat dafür aber gar keinen Modus", so der Anwalt.

Die Anwälte von T. haben Verfassungsbeschwerde eingelegt, für die zuständige Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Berlin läuft eine Äußerungsfrist bis zum 31.Oktober. 

Zitiervorschlag

Generalbundesanwalt erhebt Anklage gegen Hanna S.: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55587 (abgerufen am: 11.11.2024 )

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