Wer sich in der Wohnung einsperrt, kann sich gegenüber dem herbeigerufenen Schlüsseldienst nicht auf Wucher berufen: Es bestehe nämlich keine Zwangslage, so das AG München. Das Gericht setzt stattdessen auf die Kraft des freien Marktes.
Wer sich in seiner Wohnung einsperrt und einen Schlüsseldienst herbeiruft, kann sich nach einer nun bekannt gewordenen Entscheidung des Amtsgerichts (AG) München nicht auf Wucher berufen. Damit wies das Gericht die Klage eines Münchner Mieters ab, der von einem Schlüsseldienstunternehmen Rückerstattung eines Großteils des gezahlten Preises in Höhe von rund 620 Euro verlangte (Urt. v. 08.01.2020, Az. 171 C 7243/19).
Der klagende Mieter wollte nach Angaben des Gerichts an einem Sonntag gegen 22 Uhr seine Wohnung verlassen, konnte die Wohnungstüre allerdings nicht öffnen. Die Feuerwehr wollte ihm nicht helfen und verwies ihn auf einen gewerblichen Schlüsseldienst. Der Mann stieß im Internet auf einen Schlüssel-Notdienst, der am Telefon aber noch kein konkretes Angebot machen wollte. Am Telefon hieß es, dass sich die Kollegen erst ein genaues Bild vor Ort machen müssten.
Gegen Mitternacht erschien der Schlüsseldienst dann an der Wohnungstüre und übergab dem Eingesperrten ein Formular durch den Briefschlitz. Dort waren jeweils "netto" ein "Fallspezifischer Einsatzwert" von 189 Euro, Pauschalen von An- und Abfahrt von je 20 Euro und ein Sonntag / Feiertagszuschlag von 189 bereits ausgefüllt. Ohne Unterschrift werde die Türe nicht geöffnet werden, so der Schlüsseldienst-Mitarbeiter. Der eingesperrte Münchener habe jedenfalls, auch bei Verweigerung der Unterschrift, die Kosten für den Zeitaufwand und die An- und Abfahrt zu tragen. Der Münchner leistete daraufhin die verlangte Unterschrift.
Schlüsseldienst kostete letztlich rund 860 Euro
Nach einer raschen und umstandslosen Türöffnung stellte sich heraus, dass die Türfalle gebrochen war. Der Wohnungsmieter beauftragte den Schlüsseldienst daraufhin auch mit dem Austausch des Schlosses, dessen Preis von 169 Euro damit begründet wurde, dass es sich nicht um Massenware aus dem Baumarkt handele. Hinzu kamen weitere Kosten für "Mehrarbeitszeit" in Höhe von 139 Euro.
Der Kläger bezahlte den Rechnungsbetrag von rund 860 Euro schließlich in bar, nachdem ihm für den Fall einer Zahlung per EC-Karte weitere Kosten von 9,90 Euro genannt worden waren. Sein Vermieter erstattete ihm später nur einen Betrag von rund 217 Euro.
Vor Gericht klagte der Mieter dann auf Rückerstattung eines Teil des Geldes. Der Vertrag sei wegen des auffälligen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung unwirksam und sittenwidrig. Außerdem habe er sich in einer Zwangslage befunden, da er am nächsten Morgen zur Arbeit erscheinen musste.
AG: Überteuerte Anbieter verschwinden vom Markt
Das AG München folgte diesem Argument jedoch nicht und stellte sich auf die Seite des beklagten Schlüsseldienstes. Eine Zwangslage im Sinne von § 138 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), in dem es dem Mieter nicht zumutbar war, den Schüsseldienst weiterzuschicken, habe nicht vorgelegen. Der Mann habe sich in seiner Wohnung befunden und normalen und zuverlässigen Kontakt zur Außenwelt gehabt, so das AG. "Es mag sein, dass sich der Kläger in einer für ihn unangenehmen Lage befand, eine Art von Zwang, gerade den Beklagten zu beauftragen, erwuchs aus dieser Lage aber nicht", führte das Gericht in seiner Entscheidung aus.
Laut Gericht hätte der Mann das Angebot schlicht ablehnen können. Auch die Anfahrtskosten hätte er zunächst nicht zahlen müssen und den Schlüsseldienst auf den Rechtsweg verweisen können. Es sei zumutbar gewesen, einen anderen Schlüsseldienst zu beauftragen.
Auch ein Verstoß gegen § 138 Abs.1 BGB liege nicht vor. "In einer vom Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägten freien Marktwirtschaft muss es grundsätzlich den Parteien überlassen werden, eine angemessene Vergütung für eine konkrete Leistung zu bestimmen. Wenn ein Anbieter dauerhaft überteuerte Angebote macht, wird er entweder seine Preisvorstellungen reduzieren müssen oder aber vom Markt verschwinden", so das Gericht in dem am Freitag veröffentlichten Urteil.
Die Entscheidung ist mittlerweile rechtskräftig.
acr/LTO-Redaktion
AG München zu teurem Schlüsseldienst: . In: Legal Tribune Online, 10.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42174 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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