Das Gericht hält es für erwiesen, dass die Schlagersängerin bei einem Konzert mehrmals den Hitlergruß zeigte. Die Erklärungsversuche der Verteidigung für Müllers durchgestreckten rechten Arm scheiterten, das Strafmaß fällt hoch aus.
Das Amtsgericht (AG) Leipzig hat die Schlagersängerin Melanie Müller wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a Strafgesetzbuch) zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Gericht war nach zwei Verhandlungstagen davon überzeugt, dass die frühere RTL-Dschungelkönigin bei einem Konzert in Sachsen im September 2022 mehrfach bewusst den Hitlergruß gezeigt hat. Zudem verurteilte das Gericht sie wegen Drogenbesitzes und verhängte eine Gesamtstrafe von 160 Tagessätzen zu je 500 Euro, insgesamt also 80.000 Euro (Urt. v. 23.08.2024, Az. 226 Ds 608 Js 50876/22).
Ein Video des Konzerts beim Leipziger Motorradclub "Rowdys Eastside" zeigt, wie Müller mehrfach und teils im Zusammenspiel mit einigen der etwa 50 Konzertbesucher im Publikum ihren rechten Arm durchstreckt. Sie hatte aber stets bestritten, damit NS-Symbolik nachahmen zu wollen; vielmehr habe sie nur das Publikum angeheizt.
Müllers Verteidiger Adrian Stahl hatte am ersten Prozesstag, über den LTO ausführlich berichtete, argumentiert, ein durchgestreckter rechter Arm sei für sich genommen eine wertneutrale Geste. Welche Bedeutung ihr zukomme, bestimme erst der Kontext. Müller habe den Arm weit über Augenhöhe ausgestreckt, wie es beim Hitlergruß üblich sei. Sie habe die Armbewegung schon bei vielen Konzerten gemacht, und zwar zu dem Schlachtruf: “Zicke Zacke, Zicke Zacke, hoi, hoi, hoi”. Überdies habe seine Mandantin keine rechte Gesinnung und sei unpolitisch.
"Vorbildfunktion auf eklatante Weise außer Acht gelassen"
Dass sie sich von Hitlergrüßen und "Sieg Heil"-Rufen aus dem Publikum zu eigenen NS-Gesten habe verleiten lassen, bezweifelte Stahl. Vielmehr sei ihr die Atmosphäre so unangenehm gewesen, dass sie das Konzert schließlich abgebrochen habe. Zum Beweis dessen war im Prozess eine Audionachricht Müllers abgespielt worden. Ein Videodokument hatte die Verteidigung aber nicht vorlegen können.
Diese Erklärungsversuche überzeugten Richter Lucas Findeisen offenbar nicht. Er hielt es für erwiesen, dass Müller beim Konzert den Hitlergruß machen wollte. Die Handbewegung auf dem Konzert weiche deutlich von ähnlichen Gesten auf vorherigen Konzerten ab, begründete Richter Findeisen die Entscheidung. “Die Angeklagte hat zudem ihre Vorbildfunktion auf eklatante Weise außer Acht gelassen”, so Findeisen. So habe die Sängerin auch zugelassen, dass die Menge nach ihren “Zicke-Zacke-Rufen” mit “Heil, Heil, Heil” geantwortet habe – und das nach Überzeugung des Richters gleich dreimal bei dem Auftritt.
Welche weiteren Gesichtspunkte für die Verurteilung maßgebend waren, wird erst die Veröffentlichung der Urteilsgründe in einigen Wochen zeigen. Womöglich spielte auch eine Rolle, dass das Konzertgelände als rechtsextremer Treffpunkt gilt und dort regelmäßig Rechtsrockkonzerte stattfinden. Das Areal ist ein ehemaliges Außenlager des KZ-Buchenwald, seit 2007 befindet es sich in Privatbesitz. Auch ist Müller bereits zuvor durch Kontakte in das rechtsextreme Milieu aufgefallen.
Wem gehörten die Drogen?
Bei dem Strafmaß ging das Gericht über den Antrag der Staatsanwaltschaft hinaus – und das deutlich: Der Staatsanwalt hatte 95 Tagessätze zu je 60 Euro gefordert. Verteidiger Stahl hatte dagegen auf einen Freispruch in beiden Anklagevorwürfen plädiert, also auch hinsichtlich des Vorwurfs des illegalen Betäubungsmittelbesitzes. Bei einer Durchsuchung von Müllers Wohnung in Leipzig waren 0,69 Gramm Kokaingemisch und eine Ecstasy-Tablette gefunden worden. Die Drogen hätten einer Freundin gehört, hatte Stahl argumentiert. Diese habe sie bei einem Besuch bei Müller zurückgelassen. Auch davon ließ sich das Gericht nicht überzeugen.
Dass Richter Findeisen auch die Höhe der Tagessätze im Vergleich zum Antrag der Staatsanwaltschaft erheblich nach oben korrigierte, lag daran, dass er ihr einen "auffällig luxuriösen Lebensstil" attestierte. Da sich Müller zu ihren konkreten Einkommen nicht äußerte, habe er das Einkommen schätzen müssen, so Findeisen. Hier habe er berücksichtigt, dass Müller noch immer zahlreiche Auftritte auf Mallorca und jeweils eine Wohnung in Deutschland und auf der spanischen Urlaubsinsel habe. Findeisen schätzte das Einkommen der Dschungelcamp-Gewinnerin von 2014 auf etwa 15.000 Euro pro Monat.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Erwächst es in Rechtskraft, taucht die Vorstrafe wegen der Höhe von mehr als 90 Tagessätzen im Führungszeugnis der Schlagersängerin auf. Die Verteidigung äußerte sich auf Nachfrage nicht dazu, ob Rechtsmittel eingelegt werden.
mk/dpa/LTO-Redaktion
AG Leipzig verhängt hohe Geldstrafe: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55263 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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