In Niedersachsen wurde 2017 ein Richter verurteilt, der Examensklausurlösungen verkauft hatte. Vier Jahre später muss sich nun ein Anwalt und Repetitor aus Hamburg als möglicher Komplize verantworten.
In der Affäre um gekaufte Jura-Examen in Niedersachsen steht von Oktober an ein weiterer mutmaßlicher Täter in Hamburg vor Gericht. Es handelt sich um einen Anwalt, gegen den bereits im Jahr 2019 Anklage erhoben wurde, wie die Pressestelle des Hamburger Oberlandesgerichts gegenüber LTO bestätigte. Der Tatvorwurf lautet Bestechung im besonders schweren Fall und Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses.
Der Skandal um verkaufte Prüfungslösungen für angehende Juristinnen und Juristen hatte 2014 bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Ein niedersächsicher Richter hatte 2014 gestanden, Lösungen für das Zweite Staatsexamen gegen Sex oder Geld weitergegeben zu haben. Er war 2014 in Mailand gefasst worden, bei seiner Verhaftung hatte er 30.000 Euro in bar und eine geladene Pistole dabei. Der Jurist war zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden.
Der nun ebenfalls angeklagte Rechtsanwalt soll als Repetitor gearbeitet und dabei Studierende in der Prüfungsvorbereitung geholfen haben. Er steht unter dem Verdacht, von dem Richter Klausurlösungen aus dem niedersächsischen Staatsexamen erhalten zu haben. Die beiden Juristen sollen sich nach einem Bericht der Hannoverschen- Allgemeinen Zeitung (Montag-Ausgabe) aus gemeinsamen Zeiten kennen, als sie in der Hansestadt Studenten aufs Examen vorbereiteten. Weil Bundesländer Aufgaben untereinander austauschen, soll abgemacht worden sein, dass der Richter seinem Juristen-Kollegen Klausurlösungen verrät. Der Erlös der weiterverkauften Tipps sollte geteilt werden. Zu Zahlungen sei es aber nicht gekommen, berichtete die Zeitung unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft.
Inwiefern jedoch Hamburger Examenskandidat:innen von den Lösungen profitiert haben und ob bereits gegen mögliche Abnehmer:innen ermittel wird, konnte eine Gerichtssprecherin mangels Informationen nicht gegenüber LTO bestätigen.
Nach Bekanntwerden des Falls in Niedersachsen hatten rund 200 Sonderprüfer die Abschlüsse von 2.000 Juristinnen und Juristen untersucht, darunter allein 16.000 Klausuren. Im Zuge dessen wiederholten 29 Prüflinge, die durch den Betrug ihrer Mitstudierenden die Bewertungsmaßstäbe der Prüfer verzerrt sahen, die Arbeiten. Mehr als einem Dutzend Nachwuchsjuristinnen und -juristen wurde das Zweite Staatsexamen nachträglich aberkannt. Einige Referendare und Referendarinnen, die Prüfungsergebnisse gekauft hatten, wurden zu Bewährungsstrafen zwischen sechs und zwölf Monaten verurteilt.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Prozess gegen Hamburger Anwalt terminiert: . In: Legal Tribune Online, 12.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45453 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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