AfD-Erfolg bei Landtagswahlen: Kehrt Ex-Richter Jens Maier in den Bun­destag zurück?

von Dr. Markus Sehl

02.09.2024

Der wegen rechtsextremer Aussagen umstrittene Ex-Richter Maier könnte als AfD-Abgeordneter in den Bundestag nachrücken. Möglich werden könnte das, weil ein Parteikollege nun in Sachsen erfolgreich war und in Berlin ausscheiden soll.

Für die Zukunftspläne von Jens Maier könnte der Wahlsonntag im Wahlkreis Zwickau 5 eine Wende bedeuten. Und das obwohl der AfD-Mann dort gar nicht zur Wahl stand. Der ehemalige Dresdner Richter Maier gehört zum rechtsextremen Flügel der AfD um Björn Höcke. Er hatte sich selbst als "kleiner Höcke" bezeichnet. Von 2017 bis 2021 war er Abgeordneter im Bundestag, verlor dann bei der Bundestagswahl seinen Sitz. Seine anschließende Rückkehr in die sächsische Justiz löste eine breite öffentliche Debatte und Unsicherheiten in der Justizverwaltung aus. Schließlich wurde er vorzeitig in den Ruhestand geschickt. 

Warum er nun wieder in den Bundestag einziehen könnte, hängt mit einer Nebenfolge aus der aktuellen Landtagswahl im Wahlkreis Zwickau 5 zusammen. Dort hat Mike Moncsek für die AfD am Sonntag das Direktmandat geholt. Moncsek sitzt aber bereits für die AfD-Fraktion im Bundestag. Wie Zeit Online zuerst berichtete, soll er dieses Mandat abgeben. Nach dem Willen von Parteichef Tino Chrupalla. Ein AfD-Pressesprecher wollte diesen Vorgang am Montagabend auf LTO-Anfrage nicht bestätigen. In der AfD-Spitze war dieses Szenario nach LTO-Informationen aber schon seit Monaten Thema. Moncsek müsste dann zunächst auf sein Bundestagsmandat nach § 46 Abs. 1 Nr. 4 Bundeswahlgesetz (BWahlG) förmlich verzichten.

Die Rechtslage ist kompliziert

Zum Zug könnte dann, so offenbar das Kalkül, Jens Maier kommen. Der stand 2021 auf dem damals erfolglos gebliebenen Listenplatz 2 in Sachsen. Scheiden Bundestagsabgeordnete aus, so regelt aktuell § 48 BWahlG, wer nachrückt. Aufgefüllt wird über die jeweilige Landesliste. Jetzt wird es für den Fall Moncsek/Maier allerdings komplizierter als gedacht. Denn Moncsek kam bei der Bundestagswahl 2021 als Überhangmandat aus Sachsen in den Bundestag. Die AfD in Sachsen konnte damals mehr Mandatsträger nach Berlin schicken als ihr über ihren Listenerfolg zugestanden hätten. 

Die aktuelle Fassung des Wahlgesetzes, 2023 geändert, kennt keine Überhangmandate mehr. Die Vorschriften treffen ausdrücklich also auch keine Regelung zu einem Nachrücken bei ausscheidenden Überhangmandatsträgern.

Die Sache wird noch weiter kompliziert. 1998 hatte das Bundesverfassungsgericht das Nachrücken in ein nicht ausgeglichenes Überhangmandat ausgeschlossen. Für das Überhangmandat der Sachsen-AfD griff 2021 ein neuer Ausgleichsmechanismus. Für das Überhangmandat bekamen die anderen Parteien Ausgleichsmandate, um das rechnerisch entstehende Überhangmandat durch eine Erhöhung der Gesamtsitze wieder auszugleichen. Ein Mechanismus im Wahlrecht, der in den letzten Wahlperioden für ein starkes Anwachsen der Parlamentssitze sorgte. Und mit der letzten Wahlrechtsreform beendet werden sollte.

Die Frage ist nun: Gilt für das Nachrücken Moncsek/Maier der aktuelle 2023 geänderte § 48 Bundeswahlgesetz, der ein Nachrücken in Überhangmandate nicht kennt? Oder gilt für ein Ausscheiden des 2021 gewählten Moncsek noch die alte Rechtslage, die ein Nachrücken in ausgeglichene Überhangmandate erlaubte? Denn würde man ein Nachrücken in ausgeglichene Überhangmandate ausschließen, bliebe die heikle Frage, welches Schicksal dann den plötzlich in der Luft hängenden Ausgleichsmandaten selbst drohen würde. 

Der Fall hat Potential die Grenzbereiche des Wahlrechts auszuloten. Jens Maier geht offenbar davon aus, dass nachgerückt werden kann. Zeit Online zitiert ihn am Montag mit den Worten: "Ich bin wieder da."

Als Richter ausgeschlossen

Sollte er nachrücken, dürfte sich das Mandat finanziell auf jeden Fall lohnen. Das sächsische Justizministerium hatte Maier im Jahr 2022 nach § 31 Deutsches Richtergesetz vorläufig in den Ruhestand versetzt, um Schaden von der Rechtspflege abzuwenden. Das Dienstgericht des Bundes beim Bundesgerichtshof hatte diese Entscheidung 2023 bestätigt. Für die Gerichte war eine ganze Reihe rechtsextremer Aussagen Maiers zu prüfen.

Er war Obmann des sogenannten "Flügels" der AfD und machte auch nach dessen offizieller Auflösung deutlich, dass er für dessen nationalistisch-völkische Ideologie steht. Bei einer Parteiveranstaltung der AfD am 17. Januar 2017 in Dresden sprach er über die "Herstellung von Mischvölkern", durch die die "nationalen Identitäten" ausgelöscht werden sollten, was "einfach nicht zu ertragen" sei. Mit Blick auf die Aufarbeitung der NS-Verbrechen erklärte er "diesen Schuldkult" für "endgültig beendet".  

In einem Tweet von Maiers Twitter-Account (nun X) wurde der Sohn von Boris Becker als "kleiner Halbneger" bezeichnet und eine Frau mit Kopftuch bezeichnete Maier in einem Facebook-Post als "Schleiereule". Über die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka schrieb er 2017, ebenfalls auf Facebook: "GEZ abschaffen, Slomka entsorgen." Besonders Gewicht maß das Gericht auch einem Tweet Maiers aus 2019 zu, in dem es hieß: "Wenn Angeklagte ‘AfD-Richter’ fürchten, haben wir alles richtig gemacht." 

 

Beitrag in der Version vom 02.09.2024, 23.20 Uhr ergänzt wurde eine Passage zur Nachrückerproblematik bei Überhangmandaten.

Zitiervorschlag

AfD-Erfolg bei Landtagswahlen: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55320 (abgerufen am: 06.09.2024 )

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