Die seit Mitte März geltenden Reisebeschränkungen hatte das Innenministerium mit dem Schutz der Bevölkerung begründet. Dies ist dem wissenschaftliche Dienst des Bundestags allerdings zu pauschal.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages zweifelt an der Rechtsgrundlage für die in der Coronakrise verhängten Ausreisebeschränkungen. Es gebe "rechtliche und tatsächliche Bedenken", dass sich das Verbot für Auslandsreisen ohne triftigen Grund so begründen lasse, wie es das Bundesinnenministerium getan habe, schreiben die Bundestagsjuristen in ihr Gutachten.
Das Innenministerium habe seine Anordnung mit dem Schutz der Bevölkerung vor einer Pandemie begründet und damit, dass die Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems sichergestellt werden müsse. Die dramatischen Folgen, die ein kollabierendes Gesundheitssystem hätte, sieht zwar auch der Wissenschaftliche Dienst. Ihm ist diese Begründung aber zu pauschal und merkt an, dass von der Ausreise aus dem Bundesgebiet unmittelbar gar keine Gefahr für das deutsche Gesundheitssystem ausgehe.
Es könne zwar sein, dass Ausgereiste wieder einreisen – aber es gebe inzwischen auch in anderen Ländern vielfach Ausgangsbeschränkungen und weitere Corona-Maßnahmen, sodass nicht jeder Wieder-Einreisende automatisch eine Gefahr darstelle. Dabei müsse die einschlägige Norm im Passgesetz aber gerade so verstanden werden, dass sie auf Menschen abziele, von denen eine individuelle Gefährdung ausgeht, etwa Hooligans oder Islamisten auf dem Weg in Kriegsgebiete. Bei jedem Reisewilligen eine Infektionsgefahr anzunehmen, ist den Bundestagsjuristen zufolge zu pauschal.
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, machte das Papier am Dienstag öffentlich. Zuvor hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet. In der Coronakrise gelten seit Mitte März Reisebeschränkungen, mit Ausnahmen unter anderem für Berufspendler.
Jelpke folgerte, dass die Ausreiseverbote rechtswidrig seien und erwarte, dass der Bundesinnenminister, Horst Seehofer, seine Anordnungen sofort zurücknehme.
Der wissenschaftliche Dienst unterstützt die Abgeordneten mit seiner Expertise. Seine Gutachten geben aber nicht die Auffassung des Bundestags wieder.
dpa/vbr/LTO-Redaktion
Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages: . In: Legal Tribune Online, 06.05.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41522 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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