Es ist erfreulich, wenn die Versicherung die Autoreparatur bezahlt. Das heißt aber nicht, dass Versicherte die Rechnung ungesehen an die Versicherung weiterleiten dürfen, so der BGH. 160 Euro für eine Desinfektion? Das sei zu viel.
Dass eine einfache Fahrzeugdesinfektion keine 160 Euro kosten kann, hätte der Kundin einer Autowerkstatt klar sein müssen. Denn Geschädigte trifft eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der von einer Werkstatt berechneten Preise, entschied der Bundesgerichtshof (BGH). Überzogene Kosten könnten demnach nicht einfach an die Versicherung weitergegeben und die volle Erstattung verlangt werden (Urt. v. 23.04.2024, Az. VI ZR 348/21).
Bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2020, für den die Haftpflichtversicherung der in diesem Fall klagenden Frau in vollem Umfang haftet, wurde das Fahrzeug der Frau beschädigt. Sie ließ ihren Wagen in einer Werkstatt reparieren und verlangte die Kosten im Anschluss von ihrer Versicherung zurück. Für die Desinfektion des Wagens stellte die Werkstatt insgesamt 157,99 Euro in Rechnung. Diesen Posten hielt die Versicherung jedoch für überzogen und verweigerte die Erstattung des Geldes an die Frau.
Während das Amtsgericht Hamburg-Harburg der Klage der Frau auf Erstattung der Kosten für die Desinfektion noch stattgab, hielt das Landgericht (LG) Hamburg lediglich 33,18 Euro als Erstattungsbetrag für die Desinfektion für angemessen. Nur für diesen Betrag müsse die Versicherung auch aufkommen. Denn das Desinfizieren der Flächen dauere bloß fünf Minuten und setze keine Sonderkenntnisse oder besonderen Fähigkeiten voraus. An Materialien bräuchte es außerdem nur das Desinfektionsmittel, Wischtücher, Einmalhandschuhe und Schutzmasken.
Überhöhter Preis hätte sich aufdrängen müssen
Dass rund 160 Euro für eine Desinfektion zu viel verlangt seien, hätte die klagende Frau dabei feststellen können, so das LG. Gerade in der Pandemielage 2020 hätte jeder, auch Laien, die Kosten für eine Fahrzeugdesinfektion im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle zumindest grob überschlagen können. Dass die Frau den Betrag bei der Werkstatt sofort beglichen hatte, sei unerheblich für ihren Anspruch gegen die Versicherung auf Erstattung aller Reparaturkosten.
Dieser Argumentation des LG schloss sich der BGH nun an. Grundsätzlich könne ein Geschädigter nach § 249 Abs. 2 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Bedingung: Das gelte nur, wenn er auch Einfluss auf die Entstehung der Mehrkosten hatte.
Die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Preise hätte die klagende Frau daher im Rahmen einer Plausibilitätskontrolle wenigstens grob überprüfen müssen, so der BGH weiter. Verlangt die Werkstatt wie in diesem Fall erkennbar überzogene Kosten, könnten diese nicht als "erforderlich" im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gelten und daher auch nicht erstattet werden. In diesem Fall hätte es sich der Versicherungsnehmerin aus Sicht der Karlsruher Richter "geradezu aufdrängen" müssen, dass die Kosten für die Desinfektionsmaßnahmen deutlich überhöht gewesen seien.
Im Ergebnis hat das LG laut BGH die Schadenshöhe anhand der Schätzungen fehlerfrei gemäß § 287 Zivilprozessordnung ermittelt. Auf knapp 125 Euro überhöhte Desinfektionskosten bleibt die klagende Frau daher nun sitzen.
lmb/LTO-Redaktion
BGH zu Kosten für Autoreparatur: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54738 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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