Im Streit um die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft geht die Berliner Wohnungsbaugesellschaft Gesobau gegen ein zweites Baumfällverbot vor. Wie schon das erste sei auch dieses "offensichtlich rechtswidrig", so das VG Berlin.
Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden, dass ein gegenüber der Wohnungsbaugesellschaft Gesobau erteiltes Baumfällverbot rechtswidrig ist (Urt. v. 05.02.2024, Az. VG 24 L 6/24). Ein Ende des Streits um die Errichtung einer Flüchtlingsunterkunft zwischen der Gesobau und dem Bezirksamt Berlin ist damit aber weiterhin nicht in Sicht.
Die Gesobau ist eine Wohnungsbaugesellschaft, die im Eigentum des Landes Berlin steht. Sie möchte in Berlin Pankow zwei Flüchtlingsunterkünfte errichten. Das Problem: Die Bäume auf den entsprechenden Grundstücken stehen im Weg und müssten für das Vorhaben gefällt werden. Obwohl die Gesellschaft eine Baugenehmigung und auch eine Genehmigung zum Fällen der rund 40 Bäume eingeholt hatte, untersagte das Bezirksamt Pankow bereits im Oktober der Gesellschaft erstmals, die Bäume und Sträucher auf dem Grundstück zu beseitigen. Der Grund: Naturschutz.
Erstes Fällverbot war schon "offensichtlich rechtswidrig"
Das VG Berlin stellte bereits im Januar fest, dass ein solches Fällverbot "offensichtlich rechtswidrig" sei (Urt. v. 09.01.2024, Az. VG 24 L 305/23). Zwar darf die Behörde laut dem VG nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) erforderliche Maßnahmen ergreifen, um naturschutzrechtliche Vorschriften einzuhalten. Jedoch habe die Behörde weder erkannt, dass ihr ein Ermessensspielraum zustehe, noch habe sie von diesem angemessen Gebrauch gemacht.
Ferner war der Sachverhalt vor dem ersten Fällverbot nach Auffassung des Gerichts nicht hinreichend ermittelt worden: Dem Bezirksamt hätten einerseits ein Artenschutz-Gutachten der Gesobau und andererseits ein von Anwohnern initiiertes Gutachten vorgelegen – mit jeweils unterschiedlichen Ergebnissen. Das hätte das Bezirksamt aufklären müssen, so das VG Berlin, bevor es einfach ein Fällverbot verhängte.
Trotz Rechtswidrigkeit des ersten Fällverbotes konnte die Gesobau im Januar noch immer nicht mit der Rodung der Bäume loslegen: Das Bezirksamt erließ gleich einen Tag später ein weiteres vollziehbares Fällverbot. Die Gesobau wehrte sich hiergegen in einem weiteren Eilverfahren, über das nun wiederum das VG Berlin zu entscheiden hatte.
Und wieder verliert das Bezirksamt
Es gebe auch hinsichtlich des zweiten Fällverbots keine ausreichenden Gründe für das Bezirksamt, um gegen mögliche Gefahren für geschützte Tierarten vorzugehen, so das VG Berlin in seiner aktuellen Entscheidung. So gebe es keinen erkennbaren Verdacht auf Gefahren, der eine weitere Untersuchung rechtfertigen würde. Damit habe sich die Sachlage, auf die das Bezirksamt das zweite Fällverbot stützte, nach Auffassung des Gerichts kaum geändert. Auch das zweite Fällverbot sei damit "offensichtlich rechtswidrig".
Denn obwohl es gemäß dem BNatSchG verboten ist, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten geschützter Tierarten zu zerstören, sei das zweite Verbot in diesem Fall zugunsten der den Antrag stellenden Gesobau zu modifizieren, weil die Flüchtlingsunterkünfte in einem unbeplanten Innenbereich gebaut werden sollen. Ein unbeplanter Innenbereich liege vor, wenn es keinen Bebauungsplan gibt, jedoch ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil existiert. Ein Verstoß gegen das Schädigungsverbot liege daher nicht vor, wenn die ökologische Funktion der betroffenen Lebensräume weiterhin erfüllt wird, so das VG. Da die Gesobau umfassende Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt bzw. für die Zukunft zugesichert hat, sei das hier auch der Fall.
Obwohl die Gesobau damit erneut vor dem VG Berlin Erfolg hat, wird der Bau der Flüchtlingsunterkünfte wohl trotzdem noch nicht starten. Laut Tagesspiegel hat der Bezirk bereits Beschwerde gegen die erste Entscheidung zu den Baumfällungen beim Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg eingelegt. Ob der Bezirk auch gegen diese zweite Eilentscheidung vorgehen wird, sei "in Prüfung".
xp/LTO-Redaktion
VG Berlin zum Streit um Flüchtlingsunterkunft: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53837 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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