BGH-Kartellsenat: Google will Betriebs­ge­heim­nisse im Kar­tell­ver­fahren schützen

20.02.2024

Das Bundeskartellamt will große Tech-Konzerne wie Amazon und Google vermehrt in die Schranken weisen. Doch wie weit darf die Behörde dabei gehen? Dazu hat der BGH-Kartellsenat heute verhandelt.

Unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag in einem Kartellverfahren mit Details zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen des Technologieriesen Google befasst. Es geht um die Frage, ob und in welchem Umfang das Bundeskartellamt (BKartA) vertrauliche Informationen an Wettbewerber weitergeben darf (Az. KVB 69/23).

Das BKartA will herausfinden, ob Google seine Marktmacht im Zusammenhang mit Infotainmentsystemen für Fahrzeuge ausnutzt. Dafür möchte sie dem Karten-Spezialisten TomTom und dem Sprachassistent-Anbieter Cerence ihre bisherigen Ermittlungen mitteilen und um eine Einschätzung zu den wettbewerblichen Bedenken bitten. Wettbewerber wüssten am besten über den Markt Bescheid, argumentierte der Vertreter des Kartellamts am Dienstag in Karlsruhe. Der Google-Anwältin hingegen geht das Vorgehen zu weit. Sie sagte, Vertragsdetails müssten nicht wörtlich zitiert werden – man könne auch eine Frage formulieren, ob zum Beispiel Rabatte in Höhe von 10, 20 oder 30 Prozent eine Sogwirkung hätten. Zwei Richterinnen des Kartellsenats hinterfragten, ob die Behörde nicht zu weit gehe - gerade falls die Vorwürfe am Ende nicht haltbar sein sollten.

Der Vorsitzende Richter Wolfgang Kirchhoff machte deutlich, dass das Interesse des Amts an einer Sachaufklärung und das Interesse des Unternehmens an der Geheimhaltung abgewogen werden müssten. Das gehe wohl nicht pauschal, sondern Schritt für Schritt. Der Senat muss klären, wie groß der Spielraum von Deutschlands obersten Wettbewerbshütern ist. Wann eine Entscheidung verkündet wird, ist noch unklar.

Produktbündel und Präsentationsvorgaben

Konkret geht es darum, dass das Kartellamt dem Konzern "verschiedene wettbewerbsgefährdende Verhaltensweisen" bei seinen Google Automotive Services (GAS) untersagen will. Es geht um ein Produktbündel aus dem Kartendienst Google Maps, einer Version des App-Stores Google Play und dem Sprachassistenten Google Assistant. Autohersteller wie Volvo, Ford, Renault, Nissan und Polestar nutzen die GAS. Die deutschen Hersteller wie BMW, Mercedes, Audi und VW gehören nicht dazu.

Google bietet Herstellern die Dienste den Angaben zufolge grundsätzlich nur zusammen an und macht nach Auffassung des Kartellamts weitere Vorgaben für die Präsentation der Dienste im Infotainmentsystem von Autos, damit diese bevorzugt genutzt werden. Es mahnte Google Deutschland und den Mutterkonzern Alphabet im Juni ab und informierte über die wettbewerblichen Bedenken. Google unterbreitete laut BGH Lösungsvorschläge und hat gegen die Offenlegung einzelner, bestimmter Textpassagen Beschwerde eingelegt.

Geheimnisse und Grundsätzliches

Wie Richter Kirchhoff sagte, hatte Google schon Schwärzungen durchgesetzt. Doch der Konzern will mehr Passagen unkenntlich machen. "Wir diskutieren hier nur noch über einzelne Wörter und Teilsätze", sagte die Anwältin. Der Vertreter des Kartellamts hingegen sah die Sache grundsätzlicher: Erstmals werde es eine höchstrichterliche Entscheidung geben – das sei auch für andere Fälle wichtig. Er warb dafür, die Anforderungen nicht schon in dieser Phase der Ermittlungen seiner Behörde zu komplex zu machen.

Der BGH muss für die Angaben, die Google geschwärzt wissen will, nun jeweils prüfen, ob es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handelt und wie viel Aufklärung von einer Weitergabe an die Konkurrenz zu erwarten ist. Bevor es an die Details ging, schloss Kirchhoff allerdings die Öffentlichkeit von der Verhandlung aus.

dpa/jb/LTO-Redaktion

Anm. d. Red.: Text in der Version vom 20.02.2024, 15:24 Uhr

Zitiervorschlag

BGH-Kartellsenat: . In: Legal Tribune Online, 20.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53921 (abgerufen am: 17.11.2024 )

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