Die neue CSDDD soll Menschenrechte im internationalen Handel stärken. Auf EU-Ebene war alles ausgehandelt, nun droht das Vorhaben am Widerstand der FDP zu scheitern. Am Donnerstag äußerte sich Buschmann zu den Gründen.
Zu viel Bürokratie für die deutsche Wirtschaft. So begründen Bundesjustizminister Marco Buschmann und Finanzminister Christian Lindner den Widerstand der FDP gegen die geplante EU-Lieferketten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD oder CS3D). Das geht aus einem gemeinsamen Schreiben der beiden Minister vom Donnerstag hervor, welches LTO vorliegt. Auf die Kernbestandteile der CS3D hatten sich EU-Parlament, Mitgliedstaaten (Rat) und Kommission im sog. Trilog-Verfahren im Dezember geeinigt. Das Vorhaben könnte an Deutschlands Blockade scheitern.
Die CSDDD soll EU-Mitgliedstaaten verpflichten, Unternehmen in Bezug auf ihre Lieferkette Sorgfaltspflichten aufzuerlegen. Ziel ist, Menschenrechtsverletzungen wie etwa Kinder- oder Zwangsarbeit bei Zulieferern und Abnehmern zu unterbinden. Größere Unternehmen müssen zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind.
"Der Schutz der Menschenrechte gehört zum Selbstverständnis der EU", sagte Buschmann am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. Daher unterstütze er uneingeschränkt das von der Richtlinie verfolgte Ziel, einen besseren Schutz von Menschenrechten und Umwelt in den Lieferketten europäischer Unternehmen sicherzustellen. Dieses Ziel dürfe aber nicht zu einer "Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts" führen, betonte er.
CSDDD geht über deutsches Lieferkettengesetz hinaus
In Deutschland gilt mit dem sog. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) seit dem 1. Januar 2023 bereits ein ähnliches Gesetz. Die CS3D geht jedoch in einigen Punkten wesentlich über das LkSG hinaus. Würde die CS3D so erlassen, wie im Trilog vereinbart, müsste der deutsche Gesetzgeber also erheblich nachsteuern.
Insbesondere in ihrem Anwendungsbereich unterscheiden sich CSDDD und LkSG stark: Von der EU-Richtlinie sollen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und einem weltweiten Umsatz von über 150 Millionen Euro erfasst sein. Die Pflichten sollen auch für Unternehmen ab 250 Beschäftigten mit einem Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro gelten, wenn mindestens 20 Millionen davon in bestimmten Risikosektoren verdient werden. Vom LkSG sind derzeit sektorübergreifend Unternehmen erst ab 3.000 Beschäftigten erfasst, ab dem 1. Januar 2024 reduziert sich diese Zahl auf 1.000 Beschäftigte.
Ein Punkt, an dem sich Buschmann und Lindner erheblich stören. "Es braucht Lösungen, die gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht überfordern, die Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb nicht durch noch mehr Bürokratie lähmen", so Buschmann. Aus Regierungskreisen heißt es, dass den FDP-Ministern auch die Einstufung des Bausektors als Risikosektor ein Dorn im Auge sei. Dieser sei aufgrund gestiegener Bauzinsen ohnehin geplagt, die Auferlegung umfassender Sorgfaltspflichten in Bezug auf die gesamte Lieferkette könne existenzbedrohend wirken.
Bausektor, Bußgeldhöhe und Schadensersatz im Fokus
Nach den EU-Plänen sollen neben dem Bausektor u.a. auch Produktion und Großhandel von Texitilien, Kleidung und Schuhen, Landwirtschaft und Fischerei, Lebensmittelherstellung sowie Gewinnung und Großhandel mit mineralischen Rohstoffen risikobehaftet sein.
Als weiterer wesentlicher Kritikpunkt gilt die Reichweite der Sorgfaltspflichten in Bezug auf Partnerunternehmen in der Lieferkette. Sie erstrecken sich nämlich nicht nur auf Zulieferer, sondern auch auf Abnehmer. Ein von den Pflichten der CS3D erfasstes Unternehmen muss also nicht nur die Herkunft eines weiterverarbeiteten oder verkauften Produkts prüfen, sondern auch den weiteren Handel sowie dessen Entsorgung im Blick haben. Dies halten die FDP-Politiker ebenfalls für unverhältnismäßig, wie es aus dem BMJ heißt.
Weitere Kritikpunkte betreffen die Pflicht großer Unternehmen zur Aufstellung eines Klimaplans sowie die Rechtsfolgen im Fall eines Verstoßes. Hier sehen die EU-Pläne vor, dass die Mitgliedstaaten Aufsichtsbehörden mit der Überwachung der Einhaltung der CS3D beauftragen. Diese sollen im Einzelfall Ermittlungen bei den Unternehmen anstellen. Als mögliche Sanktionen sind Geldbußen in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Umsatzes vorgesehen sowie ein "naming and shaming" vorgesehen. Das heißt, dass die Namen der sorgfaltswidrig handelnden Unternehmen öffentlich bekannt gemacht werden. Ferner sollen Geschädigte – Arbeiter, Angehörige, Gemeinden – unter Umständen Anspruch auf Schadensersatz erhalten.
Scheitert die Richtlinie an Deutschlands Enthaltung?
Das LkSG dagegen sieht deutlich weniger einschneidende Rechtsfolgen vor. Die maximale Bußgeldhöhe beläuft sich hier auf zwei Prozent des Jahresumsatzes. Eine zivilrechtliche Haftung auf Schadensersatz ist nicht vorgesehen, sie greift bei Rechtsverletzungen bei Zulieferern nur in seltenen Ausnahmefällen ein.
Das BMJ könne diese Pläne nicht mittragen, so Buschmann. Ihm sei es wichtig gewesen, bis zuletzt zu verhandeln, um dann im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen, ob das Ergebnis tragbar ist. Am Ende sei er dann aber zu dem Schluss gekommen: "Unsere Sorgen sind nicht entkräftet, die Risiken für die europäische und deutsche
Wirtschaft überwiegen."
Die Blockadehaltung der FDP hat weitreichende Konsequenzen auf EU-Ebene: Enthält sich die Bundesregierung im Rat, wirkt das wie eine Ablehnung. Eine Ablehnung, die andere Mitgliedstaaten anstecken könnte. Viele andere Regierungen haben sich noch nicht abschließend positioniert. Ob die CSDDD bei der finalen Abstimmung im Rat eine Mehrheit erhält, ist derzeit ungewiss.
mk/LTO-Redaktion mit Material der dpa
Buschmann fürchtet Bürokratiemonster: . In: Legal Tribune Online, 01.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53778 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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