Leserbriefe an LTO: Ihre Kom­men­tare in der KW 34

25.08.2018

Meine Juristenausbildung: Spaß machte es erst im Referendariat

 

Rechtswissenschaft ohne Wissenschaft, viel Auswendiglernen und sehr formalistisch: Für Maja Mascher kam die Freude an Jura erst mit dem Referendariat. Dabei habe das Jurastudium Potenzial, meint sie – es werde nur nicht ansatzweise genutzt.

Von: Christoph Albrecht

Als bekennender und begeisterter Jurist fühle ich mich verpflichtet, hier nun zum ersten Mal einen Leserbrief zu verfassen, da mich dieser Artikel doch etwas empörte und ich ihm vor allem bezüglich der Ausführungen zum ersten Examen überhaupt nicht zustimmen kann.

Zunächst ist zu sagen, dass ich mich, was den Grund meines Jura-Studiums angeht, in die letzte von der Autorin genannten Gruppe einordnen. Weder bin oder war ich auf Karriere aus noch ging es mir um Ansehen. Ich habe Rechtswissenschaften schlichtweg deswegen studiert, weil es mir nach einem Eignungstest empfohlen wurde und ich schon immer ein sehr hohes Gerechtigkeitsempfinden besaß.
Die Autorin meint:

"Vor allem die zuletzt genannte Gruppe wird an der Juristerei wahrscheinlich weniger Freude haben"

Ganz im Gegenteil! Vielmehr habe ich die Erfahrung gemacht, dass vor allem diese Gruppe sehr viel Freude an dem Jurastudium hat. Wer Spaß und Interesse an der Materie hat, dem fällt das Verstehen leicht, dem erschließen sich die komplexen Fallgestaltungen schnell und der muss nicht den Inhalt eines Lehrbuchs auswendig lernen. Meiner Erfahrung nach sind es die "Auswendiglerner", die sich stets über mangelnde Freizeit und immensen Druck beschwerten.

Die Autorin führt weiter aus:

"Denn nur mit Denken und Verstehen ist es wohl nicht möglich, ein juristisches Staatsexamen zu bestehen"

Ich widerspreche hier vehement und behaupte vielmehr: Mit Denken und Verstehen ist das juristische Staatsexamen zum Großteil schon in der Tasche!

Mein Staatsexamen habe ich in Baden-Württemberg sehr erfolgreich abgelegt. Zu keiner Zeit während des Studiums oder während der Vorbereitung auf das Examen hatte ich das Gefühl, nur auswendig lernen zu müssen. Im Gegenteil. All das, was ich verstanden hatte, musste ich mir höchstens noch 1-2 Mal kurz wieder vor Augen führen; Auswendig lernen musste ich - bis auf wenige Ausnahmen - nichts.

Und auch wenn das nun sehr nach Eigenlob riecht, möchte ich damit nur ein Beispiel dafür nennen, dass das Jurastudium Spaß machen und trotzdem erfolgreich sein kann. Das Problem ist nämlich nicht das Studium, sondern die Herangehensweise vieler Leute an ebendieses.

Die Autorin meint dazu:

"Ein Rechtsstudent muss vor allem auswendig lernen, Streitigkeiten mit einem Argument belegen können und unter Bezugnahme auf die herrschende Meinung in der Klausur weiterschreiten können"

Auch aufgrund meiner eigenen Erfahrung durch Korrekturen von Klausuren muss ich an diesem Punkt ebenfalls entschieden widersprechen. Die meisten Professoren fordern gerade nicht, dass gängige Meinungen auswendig gelernt und runtergebetet werden. Vielmehr gibt es die meisten Punkte dafür, dass ein Problem erkannt und eine vertretbare - gerne auch eigens entwickelte - Lösung gefunden wird. Die in Lehrbüchern wiedergegebenen Meinungen muss niemand auswendig lernen, denn wer das Problem (dank des Lesens dieser Meinungen) verstanden hat, der wird auf eine der Lösungen jederzeit eigenständig kommen. Wer aber nur die herrschende Meinung zitiert, der kriegt im Zweifel überhaupt keine Punkte, weil er schlichtweg nicht das gezeigt hat, was ein Jurist können muss: nicht Auswendiglernen, sondern eigenständig Argumentieren!

Was mich daher so empörte, ist der falsche Eindruck, der angehenden Studenten durch den Artikel der Autorin vermittelt wird. Gerade denjenigen, die nicht wegen der Aussicht auf eine tolle Karriere oder weil sie sich als Anwalt richtig wichtig fühlen können, sondern wegen der Juristerei selbst Interesse an dem Fach haben, sei gesagt:

Es lohnt sich, es macht Spaß und man kann eine gute Note ohne stupides Auswendiglernen und tägliche zehnstündige "Bib-Sessions" mit passablem Aufwand erzielen.

Zitiervorschlag

Leserbriefe an LTO: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30551 (abgerufen am: 07.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
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