Grundfragen der Digitalisierung: Haben Roboter Rechte?

von Prof. Dr. Thomas Klindt und Nico Kuhlmann

11.11.2017

2/2: Die Diskussion hat begonnen

Ein eigener Rechtsstatus für Roboter ist noch Zukunftsmusik. Aber ebenso wie vor 200 Jahren bei der juristischen Person wird bereits jetzt über die Einführung einer sog. Elektronischen Person diskutiert.

Es ist dabei nicht unvorstellbar, dass beim Fortschreiten der gegenwärtig bereits beeindruckenden Entwicklungen autonome Systeme irgendwann eine eigene Rechtsfähigkeit zugesprochen bekommen.

Dies hat unter anderem auch das Europäische Parlament erkannt und es dazu veranlasst, eine Entschließung mit Empfehlungen an die Kommission zu zivilrechtlichen Regelungen im Bereich der Robotik zu verabschieden. Danach soll langfristig auf europäischer Ebene über die Einführung eines eigenen rechtlichen Status für Roboter nachgedacht werden.

Konkrete Bedürfnisse als Innovationstreiber

Diese Überlegungen basieren nicht auf moralischen oder ethischen Aspekten, sondern werden maßgeblich von praktischen Bedürfnissen getrieben. Ist ein Roboter ein Rechtssubjekt, dann kann dieser für seine Handlungen und Entscheidungen selbst verantwortlich gemacht werden. Verursacht ein Roboter beispielsweise einen Schaden, dann haftet dieser unmittelbar auf Schadensersatz.

Als weiterer Baustein zur Absicherung des Geschädigten muss eine passende Versicherung hinzukommen, die entsprechende Schäden abdeckt. Der nationale oder europäische Gesetzgeber könnte dies - wie bereits diskutiert wird - mit einer Versicherungspflicht für autonome Roboter flankieren.

Diese Herangehensweise erscheint deswegen sinnvoll, da bei autonomen, selbstlernenden Systemen die Verantwortung der an der Entwicklung und dem Betrieb beteiligten Individuen immer mehr in den Hintergrund rückt. Dies gilt im Besonderen bei Projekten mit Open-Source-Elementen. In vielen Konstellationen wird im Ergebnis die Zurechnungskette reißen. Dies könnte zwar ebenfalls mit einer Gefährdungshaftung aufgefangen werden - oder aber eben auch mit einer Versicherung für Roboter.

Irgendwer muss schließlich das Gemeinwesen finanzieren

Die Fähigkeit Träger von Rechten und Pflichten zu sein, würde auch dazu führen, dass ein Roboter selbst eigene finanzielle Reserven aufbauen könnte. Die Einnahmen könnten dabei auf einer Art Arbeitslohn basieren. Auch dies klingt zu Beginn des 21. Jahrhunderts noch sehr gewöhnungsbedürftig.

Der praktische Gedanke dahinter ist aber wiederum nicht von der Hand zu weisen. Ein Roboter könnte aus seinem Lohn Steuern zahlen und damit einen relevanten Beitrag zur Aufrechterhaltung der Sozialsysteme in einer Gesellschaft leisten, in der immer mehr Tätigkeiten durch Maschinen übernommen werden.

Unter anderem Bill Gates hat erst kürzlich gefordert, dass überall dort, wo ein Roboter dieselbe Arbeit ausübt, die sonst ein Mensch machen würde, der Roboter auf gleichem Niveau besteuert werden sollte, damit dem Staat und damit der Gesellschaft die Einkommensteuer als Einnahmequelle nicht wegbricht.

Ein Gedankenexperiment mit offenem Ausgang

Bei der Diskussion um die Rechtspersönlichkeit von Robotern handelt es sich bisher nur um ein Gedankenexperiment. Viele der beschriebenen Bedürfnisse würden sich auch durch andere rechtliche Konstrukte in den Griff kriegen lassen. Aber die Einführung einer "E-Person" ist eben eine denkbare und umfassende Lösungsstrategie.

Die US-amerikanischen Rechtswissenschaftlerinnen sind im Übrigen zu dem Ergebnis gekommen, dass die Dogmatik der im ersten Zusatzartikel der Verfassung der Vereinigten Staaten enthaltenen Meinungsfreiheit erstaunlich wenige Hindernisse bereithält, wenn es darum geht, Roboter in die Gruppe der Träger dieses Rechts mit aufzunehmen.

In Indien hat zudem erst kürzlich der Hohe Gerichtshof von Uttarakhand im Norden des Landes die beiden Flüsse Ganges und Yamuna nicht nur zu Lebewesen, sondern direkt auch zu Rechtssubjekten erklärt, um schwindende Wasser-Ökosysteme zu retten. Vor diesem Hintergrund erscheint für eine Industrienation wie Deutschland die Verleihung einer Rechtspersönlichkeit an Roboter auf einmal gar nicht mehr so fernliegend.

Aus rechtlicher Sicht ist im Ergebnis noch sehr vieles ungeklärt. Die heutigen Roboter werden vermutlich noch viele Updates kriegen, bevor entsprechende Regelungen erlassen werden. Die technologische Entwicklung und die dadurch verursachten Veränderungen werden aber nicht auf die Juristen warten, sondern mit weiter steigendem Tempo voranschreiten. Und Juristen werden sich bald fragen müssen, wie sie diese zusätzliche Herausforderung der Digitalisierung meistern wollen.

Der Autor Prof. Dr. Thomas Klindt (@TomKlindt) ist Rechtsanwalt und Partner bei Noerr LLP mit dem Schwerpunkt Industrie 4.0 und Produkthaftung sowie Honorarprofessor für Technikrecht an der Universität Bayreuth.

Der Autor Nico Kuhlmann (@NicoKuhlmann) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Hogan Lovells International LLP in Hamburg, Gründer des Hamburg Legal Tech Meetups und Blogger für den Legal-Tech-Blog.de.

Zitiervorschlag

Nico Kuhlmann, Grundfragen der Digitalisierung: . In: Legal Tribune Online, 11.11.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25477 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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