LG München I zu Rettung von zwei Bergsteigern: Wan­derin muss Heli­k­opter-Ein­satz allein zahlen

von Louis Strelow

27.10.2023

Ein Helikopter musste anrücken, um zwei befreundete Wandersleute vom Berg zu retten. Dafür zahlte eine der beiden 8.500 Euro. Vor dem LG München I wollte sie die Kosten nun von ihrem erfahreneren Gefährten zurückholen – ohne Erfolg.

Im November ist es kalt an der verschneiten Rappenklammspitze in den Tiroler Alpen, nachts können die Temperaturen schonmal unter -6 Grad Celsius fallen. Kein Wunder also, dass sich zwei befreundete Wandersleute  – er, der Beklagte, alpin erprobt, und sie, die Klägerin, am Berg eher unerfahren – ängstigten, als die Nacht über ihre Wandertour hereinbrach. Sie waren an einer Felswand angelangt, die die Klägerin nicht hinabsteigen wollte. Einziger Ausweg: die Rettung mit dem Helikopter. Kosten: circa 8.500 Euro, die die Klägerin vollständig bezahlte.

Ebendiese Kosten wollte sie zurückhaben und verklagte ihren Wandergefährten vor dem Landgericht (LG) München I auf Schadensersatz – jedoch erfolglos (Urteil v. 24.10.2023, Az. 27 O 3674/23).

Zwischen ihr und dem Beklagten als erfahrenem Wanderer sei ein Gefälligkeitsvertrag entstanden, so die Klägerin, und verlangte Schadensersatz aus § 280 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Klägerin argumentierte vor allem damit, dass ihr Gefährte die Route vorgeschlagen, die Navigation per Handy übernommen und die gesamte Wanderung angeführt hatte.

Das LG konnte keinen Rechtsbindungswillen feststellen: "Eine rein private gemeinsame Freizeitveranstaltung wie eine privat durchgeführte gemeinsame Bergtour ist für sich genommen nicht geeignet, eine vertragliche Haftung zu begründen." Im Vordergrund stehe vielmehr der soziale Kontakt – auch wenn der abenteuerlustige Beklagte die Route vorgeschlagen hatte, und auch sonst die gesamte Navigation übernahm. Diese Führungsfreudigkeit des Klägers sei vielmehr als "eine übliche Gefälligkeit des täglichen Lebens zu qualifizieren".

Eigenverantwortung der Alpinisten

Die Kammer betonte das Prinzip der Eigenverantwortung in der Höhe: Im Regelfall habe jeder Alpinist zunächst für sich selbst zu sorgen. Die Klägerin habe die Wandertour – trotz wiederkehrender Bedenken – fortgesetzt, und sich schließlich auch gemeinsam mit dem Beklagten für die Helikopter-Rettung ausgesprochen. Ihr Verhalten zeige, dass sie in der Lage war, ihre eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen, dies gegenüber dem Beklagten zu artikulieren und eine gemeinsame Entscheidung hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Tour herbeizuführen. Das LG wies insofern auf die anfängliche Entscheidung der Klägerin hin, wegen der widrigen Witterungsbedingungen nicht den Berggipfel erklimmen zu wollen. Daraufhin hatte der Beklagte eine Rundtour vorgeschlagen, von der die Wandersleute schließlich mit dem Helikopter abgeholt wurden.

Die Führungsrolle des Beklagten sei aufgrund seiner Erfahrung und Leistungsfähigkeit schlicht "natürlich gewachsen", so das LG. Daraus werde noch keine Rolle, die der eines Wanderführers einer Gruppe gleichstehe, und aus der vertragliche Ansprüche erwachsen könnten.

In einem – laut LG "als Flirt gehaltenen" – Chat hatte der Wandersmann sich der Klägerin noch als "ihr persönlicher Bergführer“ angepriesen. Das reichte dem LG aber nicht aus.

LG: Wandersleute als Gefahrengemeinschaft

Zweitens und neben dem vermeintlichen Vertragsverhältnis begründete die Klägerin einen Anspruch mit einer angeblichen "Unterkühlung", die sie am Berg erlitten habe. Sie forderte Schadensersatz aus § 823 Abs. 1 BGB, weil der Beklagte ihr "faktischer Bergführer" gewesen sei. Das LG lehnte eine solche Haftung aber ebenfalls ab.

Die beiden Wandersleute seien Mitglieder einer "Gefahrengemeinschaft" gewesen, in der sie die Entscheidungen gemeinsam getroffen hätten. Hingegen habe der Beklagte keine Gesamtverantwortung für "die Gruppe" übernommen. Ob die Klägerin tatsächlich unterkühlt gewesen sei, ließ die Kammer daher offen. Die Unterkühlung sei dem Beklagten jedenfalls nicht zurechenbar.

Vor Gericht ist es für den selbsternannten "Bergführer" also glimpflich ausgegangen – die Klägerin trägt im Ergebnis die vollen Rettungskosten. Gescheitert sein dürfte er hingegen mit seinem Flirtversuch. Und auch das Urteil ist noch nicht rechtskräfig.

Zitiervorschlag

LG München I zu Rettung von zwei Bergsteigern: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53011 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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