Der Konflikt um einen stinkenden Ziegenbock brachte eine ganze Gemeinde in Aufruhr. Neben dem Geruch des Tieres kommen juristisch gesehen auch noch bau- und immissionsrechtliche Fragen hinzu.
Alles dreht sich um Zoltan, einen stolzen Bock der Rasse Thüringer Waldziege. Geschwungene Hörner, braunes Fell und ein Bart mit blonden Strähnchen. Aber Zoltan stinkt teilweise bestialisch - behauptet zumindest die Nachbarin. Tatsächlich darf der Bock mit seinen Duftstoffen die Nachbarin nicht wesentlich beeinträchtigen, verkündete das Landgericht (LG) Bayreuth am Donnerstag seine Entscheidung in einem Nachbarschaftsstreit und bejahnte darin einen Unterlassungsanspruch.
Schon seit Jahren hält eine Familie aus dem Landkreis Kulmbach einige Ziegen. Der eigentliche Traum ist jedoch eine richtige Ziegenherde. Also funktionierten sie vor knapp drei Jahren eine alte Scheune, die direkt an das Grundstück der nun klagenden Nachbarin grenzt, zu einem Ziegenstall um. Der stinkt das wortwörtlich gewaltig. Vor allem bei schwülem Wetter und entsprechender Windrichtung habe es "sehr stark" nach Ziegenbock gerochen. "Wäschetrocknen bei dieser Situation war nicht mehr möglich, man konnte sich auch nicht mehr vor dem Haus in den Garten setzen", sagte ihr Anwalt vor Gericht. Als Inhaberin eines Betriebs habe sie sogar Gespräche mit Kunden wieder abbrechen müssen.
Ist das Dorf überhaupt noch ein Dorf?
Die Nachbarin fand heraus, dass eine solche Nutzungsänderung erst genehmigt werden muss. "Wir wussten das nicht", beteuert die beklagte Halterin der Ziegenherde. Der Gemeinderat habe ihrem Antrag dann einstimmig zugestimmt - "allerdings mit Hinweis auf immissionsschutzrechtliche Problematiken", teilt der Bürgermeister auf Nachfrage mit.
Das muss die Baugenehmigungsbehörde prüfen, also das Landratsamt Kulmbach. Dabei ging es auch um die Frage, ob der Ort mit seiner Neubausiedlung überhaupt noch als Dorf durchgeht. Für eine Siedlung würden nämlich strengere Regeln für Lärm und Gerüche gelten. Plötzlich beschäftigte der Streit den ganzen Ort, Unterschriftenaktionen wurden gestartet und die Nachbarin erhielt anonyme Drohungen. Es gebe zumindest eine "Tendenz zum Dorfgebiet", stellte das Landratsamt schließlich fest. Eine Ziegenhaltung wäre so gesehen möglich.
Aber damit nicht genug: Wegen eines einzigen Ziegenbocks schaltete die Behörde noch einen Umweltschutzingenieur und das Amt für Ernährung, Land- und Forstwirtschaft (AELF) ein. "Die Ziegenhaltung ist in allen Bereichen top", betont Renate Baierlein, AELF-Fachberaterin für Schafe, Ziegen und Gehegewild. "Der Ziegenbock war etwas abseits der Ziegen in weiterer Entfernung zur Nachbargrenze separat untergebracht in Sichtkontakt zu den Ziegen."
Reduziert genügend Abstand den Gestank auf ein erträgliches Maß?
Das soll den Geruch mindern, erklärte die Halterin der Ziegenherde vor Gericht. Denn der Bock stinke besonders, wenn er eben Bock habe. Zur Paarungszeit im Hochsommer locke er mit den Duftstoffen Ziegen an. "Wir gehen zwei Mal am Tag mit dem Bock am Strick durch die Herde." Dabei komme man dem Grundstück der klagenden Nachbarin zwar wieder näher, doch das Decken dauere nicht länger als zehn Minuten und sei hinnehmbar - zumal die klagende Frau in ihrem Garten selbst Ziegen halte. "Es ist ein Unterschied, ob ich vier Ziegen halte, die nicht riechen, oder 40 Muttertiere samt Bock", entgegnete der Anwalt der Nachbarin während der Verhandlung.
Mit der Entscheidung des Landratsamts sind jedenfalls beide Parteien nicht einverstanden. Die Ziegenhaltung ist demnach genehmigt - aber nur unter einer Bedingung: Die Tiere müssten auf einer Länge von 35 Metern sieben Meter Abstand zum Nachbargrundstück einhalten. "Das reicht hinten und vorne nicht", sagt der Anwalt der klagenden Nachbarin, der parallel vor dem Verwaltungsgericht gegen den Bescheid vorgeht.
Über § 1004 BGB vors Landgericht
Zwischenzeitlich scheiterten zahlreiche Gespräche und die klagende Nachbarin startete das nächste Verfahren vor dem Landgericht, das ein Geruchsgutachten anforderte. Das Ergebnis: In Teilen ihres Gartens überschreite der Geruch die üblichen Werte, im Bereich des Wohnhauses sei er aber ertragbar.
Tatsächlich habe der Gestank inzwischen nachgelassen, gab auch der Anwalt der klagenden Nachbarin in der Verhandlung zu. "Das hat sich schlagartig geändert." Seit dem Frühjahr sei "überhaupt kein Ziegenbock mehr zu riechen." Der Prozess vor dem Landgericht sei trotzdem wichtig. "Wenn einmal eine so wesentliche Beeinträchtigung da war, dann besteht sozusagen eine Wiederholungsgefahr."
Zu diesem Auffassung gelangte nun auch das LG Bayreuth: Bei einem Ortstermin konnte der Richter zwar keinen starken Geruch feststellen. Doch Zeugen und ein Gutachter hätten überzeugend dargelegt, dass "hier tatsächlich eine grenzwertige Situation besteht", wie er bei der Verkündung erklärte. Demenstprechend seien die Voraussetzungen des § 1004 BGB gegeben. Sollte Zoltan also wieder unerträglich stinken, drohe seinen Haltern ein Ordnungsgeld von bis zu 250 000 Euro oder Ordnungshaft*.
Die Ziegenhalterin glaubt nicht, dass der Streit mit dem Urteil beendet ist. Inzwischen werde parallel auch über verschiedene Baugenehmigungen und eine Brandschutzwand gestritten. "Der Bock wird hier doch nur zum Sündenbock gemacht", kommentierte sie trocken nach der Verkündung.
pdi/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa
Anm.: Korrigiert am 29.9.2020
Nachbarschaftsstreit um Ziegengestank: . In: Legal Tribune Online, 10.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42761 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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