Mit einem Greifarm erbeutete ein Ehepaar Pfandflaschen aus einem Altglascontainer. Die Staatsanwaltschaft beantragte Strafbefehle wegen Diebstahls des Pfands im Wert von 1,44 Euro. Der Richter lehnte den Erlass ab.
Wunderbar als Klausurfall geeignet: Die Staatsanwaltschaft (StA) hatte gegen einen 64 Jahre alten Mann und seine 65 Jahre alte Frau Strafbefehle wegen Diebstahls beantragt, weil sie mit Hilfe eines Greifarms 18 Pfandflaschen aus einem Altglascontainer geholt hatten. Anwohner hatten sie beobachtet und die Polizei verständigt.
Der Richter lehnte eine Strafe ab - weil kein messbarer Schaden entstanden sei: Wer aus einem Altglascontainer Pfandflaschen fischt, mache sich nicht strafbar, entschied das Amtsgericht (AG) München (Beschl. v. 29.03.2017, Az. 843 Cs 238 Js 238969/16).
Mit dem Einwurf in den Container seien die Flaschen dem Pfandkreislauf entzogen worden, denn sie würden nicht aussortiert, sondern mit anderem Altglas verschmolzen, argumentierte der Richter. Der Wert des Glases lasse sich deshalb im Nachhinein nicht mehr feststellen. Der Pfandwert der erbeuteten Flaschen betrug 1,44 Euro.
Man denke an den Container
Der Jurist fragt sich sofort, wessen Eigentum denn überhaupt betroffen gewesen sein sollte. Die Lösung ist schlicht: das des Container-Eigentümers. Und dessen Stellungnahme war im Laufe des Verfahrens auch eingeholt worden. Der ärgert sich - das weiß die Staatsanwaltschaft München I aus Erfahrung - regelmäßig über Beschädigungen, die beim Ein- und Aussteigen aus den Containern für die Sammlungen entstehen. In dem aktuellen Fall handelten die Eheleute mittels eines Greifarms, da hätte man von vornherein milder agieren können. Hätte:
"Natürlich prüft die Staatsanwaltschaft in einem solchen Fall die Einstellung des Verfahrens nach § 153 Strafprozessordnung wegen Geringfügigkeit", sagt Anne Leiding, Oberstaatsanwältin und Pressesprecherin der StA München I gegenüber LTO. Eine solche Verfahrenseinstellung sei hier allerdings nicht möglich gewesen.
Der verständige Leser weiß weshalb: hier müssen Vorstrafen vorgelegen haben - und zwar erhebliche.
Von Wegnahme und Aneigung
Streichen wir also das Bild des netten, fast mittellosen Rentnerehepaares und der querulanten Mittelklassebürger, die sich über jeden Glaseinwurf und jede Entnahme beschweren, und schauen wir auf die weiteren juristischen Aspekte.
Was wäre, wenn die Flaschen vor dem Container gestanden hätten? Das wäre wohl vergleichbar mit dem Abstellen von Pfandflaschen an einem Mülleimer: Die Flaschen könnten herrenlos sein, dann wäre schon keine Wegnahme möglich.
Law blog wies zudem auf ein Urteil des Amtsgericht Tiergarten aus dem Jahr 2011 hin: Das Gericht argumentierte damals, dass es bei Pfandflaschen jedenfalls am Tatbestandsmerkmal des "Aneignens" iSd § 242 StGB fehlen dürfte - die Sammler hätten ja gerade das Ziel, die Flaschen zurückzugeben.
Das Landgericht sieht das offenbar irgendwie in dieser Richtung: Die sofortige Beschwerde der StA hat es jedenfalls verworfen. Der Beschluss des AG ist damit rechtskräftig.
dpa/nas/tap/LTO-Redaktion
Keine Strafbefehle für Pfandflaschensammler: . In: Legal Tribune Online, 30.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23054 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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