Nur weil alte Menschen dem Tode näher sind als junge, ist das kein Grund, ihnen keine Kreditkarte zu geben, hat das AG Kassel entschieden. Eine Bank muss deshalb einen 88-jährigen ehemaligen BAG-Vorsitzenden mit 3.000 Euro entschädigen.
Eine "ungünstige Rückzahlungsprognose" ist kein sachlicher Ablehnungsgrund, sondern eine Altersdiskriminierung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Das hat das Amtsgericht (AG) Kassel entschieden. Eine Bank, die mit einem 88-jährigen Mann deshalb keinen Kreditkartenvertrag abschließen wollte, muss 3.000 Euro AGG-Entschädigung an diesen zahlen (Urt. v. 07.09.2023, Az.: 435 C 777/23).
Nach § 1 AGG dürfen Menschen u.a. wegen ihres Alters nicht benachteiligt werden. Dies gilt auch beim Abschluss zivilrechtlicher Verträge, geregelt in § 2 Abs. 1 Nr. 8 AGG. Diskriminiert der potenzielle Vertragspartner einen trotzdem, muss er eine Entschädigung bezahlen (§ 21 Abs. 2 AGG).
Etwas, das die Bank vielleicht nicht gewusst hat, den Sachverhalt aber besonders amüsant macht: Bei dem 88-Jährigen handelt es sich um einen ehemaligen Vorsitzenden Richter des Bundesarbeitsgerichts (BAG). Er erhält 6.400 Euro Pension im Monat und die Kreditkarte sollte auch nur einen Verfügungsrahmen von 2.500 Euro haben. Trotzdem lehnte die Bank den Vertragsabschluss mit dem Mann ab. Der Grund: "ungünstige Rückzahlungsprognose" wegen des Alters, es sei wahrscheinlicher als bei jüngeren Kunden, dass der alte Mann bald sterbe. Außerdem sei der Aufwand für die Bank, einen etwaigen Rückforderungsanspruch aus dem Kreditkartenvertrag gegen die künftigen Erben des Mannes durchzusetzen, zu hoch.
Bei Bundesrichterpension keine vererbten Schulden zu erwarten
Das AG Kassel gab dem pensionierten Richter Recht und verurteilte die Bank zur Zahlung von 3.000 Euro Entschädigung nach dem AGG. Indem sie seinen Antrag, einen Kreditvertrag mit ihm abzuschließen, ablehnte, habe sie den Mann aufgrund seines Alters benachteiligt.
Die Tatsache, dass der pensionierte Ex-Vorsitzende recht alt ist und deshalb in absehbarer Zeit versterben könnte, sei kein sachlicher Grund für die Ablehnung, so das Gericht. Denn in diesem Fall müssten die Erben die gegebenenfalls bestehenden Schulden des Richters a. D. bezahlen. Zwar sei es manchmal schwierig, Erben zu finden. Solche Fälle seien jedoch eher die Ausnahme, führt das Gericht aus. Im Regelfall sei klar, wer die Erben sind, sodass diese ausfindig gemacht werden könnten. Ein damit womöglich verbundener Aufwand für die Bank kann laut AG jedoch keinen Grund dafür darstellen, einem alten Menschen keine Kreditkarte zu geben.
Zudem sei in diesem Fall wegen der hohen Pension des Richters nicht zu erwarten, dass er überhaupt einen Nachlass mit Schulden hinterlassen werde. Die Bank habe damit erst recht keinen Grund zu befürchten, dass mögliche Rückforderungsansprüche ins Leere gehen.
hes/ms/LTO-Redaktion
BAG-Richter a. D. verklagt Bank wegen Altersdiskriminierung: . In: Legal Tribune Online, 07.02.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53820 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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