Warum eine Kanzlei Ziel und Strategie braucht: "Anwälte flüchten sich gerne in Wünsche"

von Dr. Anja Hall

18.02.2015

2/2 Erst das Ziel, dann die Strategie

LTO: Erst also muss das Kanzlei-Ziel feststehen, und daraus folgt dann die Strategie?

Busmann: So ist es. Die "Vision" wird zu einem Ziel konkretisiert. Eine Stärken- und Schwächen-Analyse, die sogenannte SWOT-Analyse, hilft dabei zu klären, welche äußeren Marktchancen und -risiken auf welche internen Ressourcen und Strategien treffen. Das Dach des Hauses ist also das Ziel, Strategie stärkt seine Statik. Wie die Bewohner in ihren Zimmern agieren, folgt logisch aus beidem. Strategische Fragen – und eben nicht Tagesform oder Zufall - determinieren also jede Aktion in der Kanzlei.

LTO: Welche strategischen Fragen begleiten ein Ziel?

Busmann: Das sind Fragen wie: Welche Mandanten wollen wir künftig? Welche dagegen geben wir ab? Welche Mandate weiten wir aus? Welche Rechtsgebiete geben wir ab und welche brauchen wir zusätzlich? Geklärt werden muss dann auch, was mittelfristig mit Mandaten, Rechtsgebieten und mit Kollegen geschieht, die nicht mehr unter dieses Dach passen. Weitere Fragen sind: Wie gehen wir mit dem Mitbewerb um? Was haben wir, was andere nicht haben?

Um Details und vor allem Zuständigkeiten festzulegen, wird es noch bedeutend konkreter: Wie rechnen wir ab? Wer kann Bilanzen lesen? Woher kriegen wir Buch- und Wirtschaftsprüfer? Wer hat welche Spezialisierung im Steuer- und Erbrecht? Wer hat oder macht welchen Fachanwaltstitel? Wer schreibt unsere Aufsätze, und wer bedient regelmäßig unseren Blog? Wer leitet – erstmal für ein Jahr - mit eigenem Budget unser Marketing? Wer ist unser Kontakter auf öffentlichen Bühnen? Wer hat welche Kontakte und wie nutzen wir diese? Welche Marketingwege bieten sich an? Auf welchen Unternehmerforen und Mittelstandskongressen treten wir auf? Welche internationalen Themen können und wollen wir anbieten?

Das Ganze endet mit einer "To-Do-Liste" mit festgeschriebenen Aufgaben für jeden. Auch für die Assistentinnen.

Konkret statt abstrakt

LTO: Warum muss es denn so detailliert sein?

Busmann: Das Gehirn motiviert sich nachgewiesenermaßen weder durch Abstrakta noch durch Negationen. Jedes Ziel hat deshalb konkrete, positiv formulierte, interne und externe Parameter. Die müssen untereinander auch noch kompatibel sein. Beispiele für klägliches Scheitern hat jede Kanzlei schon erlebt, etwa bei der Kommunikation der Kanzleileistung nach außen: Alle Mandanten wenden sich mit Grausen ab, wenn die Kanzlei Versprechen bricht. Der Webseiten-Lockspruch "Wir sind für Sie da" löst nur dann Glaubwürdigkeit aus, wenn nach 17 Uhr eben nicht der lustlos besprochene Anrufbeantworter mit den Öffnungszeiten der Kanzlei angeht.

Man kann auch nicht den Mittelstand nachhaltig für sich interessieren, wenn man keine kostenlosen, branchenbezogenen und begeisternden Vorträge bei Mittelstandsvereinigungen und – verbänden hält.
Man kommt keinen Schritt vorwärts, wenn man sich zwar permanent bei Beauty Contests präsentiert, dort der Senior jedoch die angestellten Anwälten nicht zu Wort kommen lässt oder das Team die Anfrager langweilt oder ärgert

Und: Jede anwaltliche Maßnahme ist wirkungslos, wenn sie auf lustlosen Telefonservice trifft! Und umgekehrt: Jeder auf den Punkt trainierte Telefonservice verpufft wirkungslos, wenn die Anwälte nicht zurück rufen.

LTO: Frau Busmann, vielen Dank für das Gespräch.

Johanna Busmann ist als selbständiger Coach und Trainerin spezialisiert auf die Beratung von Rechtsanwälten und Kanzleien. Sie doziert an verschiedenen juristischen Fakultäten und ist Autorin von "Chefsache Mandantenakquisition" (De Gruyter).
Weiterführende Aufsätze zum Kanzleimanagement finden Sie unter http://busmann-training.de/kanzleimarketing-aktuelle-aufsaetze/

Zitiervorschlag

Anja Hall, Warum eine Kanzlei Ziel und Strategie braucht: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14723 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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