VG Köln zur Vergabe von Mobilfunkfrequenzen: Regeln für 5G-Auk­tion waren rechts­widrig

27.08.2024

Für den Bund war der Ausbau der Mobilfunknetze ein gutes Geschäft. Auf die Vergabe der 5G-Lizenzen soll das Verkehrsministerium unter Minister Andreas Scheuer aber unerlaubt Einfluss genommen haben.

Bei der Festlegung der Spielregeln für die milliardenschwere 5G-Mobilfunkauktion im Jahr 2019 ist es nach der Einschätzung des Verwaltungsgerichts (VG) Köln rechtswidrig zugegangen (Urt. v. 26.08.24; Az. 1 K 1281/22 (zuvor 9 K 8489/18) und 1 K 8531/18). Das Gericht gab den Mobilfunkanbietern Freenet und EWE Tel recht, die sich von Verfahrens- und Abwägungsfehlern bei den Vergabe- und Auktionsregeln benachteiligt gesehen hatten. Im Kern ging es um die Frage, ob das damalige Bundesverkehrsministerium unter der Leitung von Andreas Scheuer (CSU) unerlaubten Einfluss auf die Rahmenbedingungen der Frequenzauktion der Bundesnetzagentur genommen hatte.

Bei der Auktion für den Mobilfunkstandard 5G hatten die vier Telekommunikationskonzerne Deutsche Telekom, Vodafone, Telefónica Germany und 1&1 Drillisch Frequenzen für insgesamt 6,5 Milliarden Euro ersteigert. Sie verpflichteten sich dabei zu Mindestausbauzielen, etwa dass sie bis Ende 2022 jeweils 98 Prozent der Haushalte in jedem Bundesland mit mindestens 100 Mbit pro Sekunde im Download versorgen. Auf eine sogenannte Diensteanbieterverpflichtung verzichtete der Bund. 

Eine solche Verpflichtung oder zumindest strengere Vorgaben bei der Vergabe hätten kleineren Mobilfunkanbietern, die kein eigenes Netz haben und daher Netzkapazitäten anmieten müssen, wesentlich geholfen. Ihre Position wäre gegenüber den großen Netzbetreibern gestärkt worden. Mit EWE Tel und Freenet fühlten sich zwei kleinere Mobilfunkanbieter benachteiligt und reichten Klage ein.

Vorwurf eines politischen Deals bestätigt

Das VG stellte jetzt fest, dass die Politik auf die eigentlich unabhängige Bundesnetzagentur rechtswidrig Einfluss genommen hatte. Damit wurde der Vorwurf eines politischen Deals bestätigt. Dieser sah vor, dass die Netzbetreiber zwar zu harten Ausbauzielen verdonnert wurden, dafür beim Thema Netzvermietung aber milde behandelt werden. "Das Gericht ist überzeugt, dass die Präsidentenkammer dem massiven Druck von Seiten des Bundesministerium für Digitales und Verkehr zumindest teilweise nachgegeben hat“, heißt es im Urteil. Die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur ist (unter anderem) für die Festlegung der Bedingungen für die Frequenzvergabe zuständig. 

Der Rechtsstreit war zuvor bereits bis zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) gegangen. Das VG hatte eine Klage einer der beiden Diensteanbieterinnen zunächst als unzulässig abgewiesen (Urt. v. 03.07.2019; Az. 9 K 8489/18). Diese Entscheidung hob das BVerwG später teilweise auf (Urt. v. 21.10.2021; Az. 6 C 8.20) und verwies den Fall zurück an das VG.

Wie sich das aktuelle Urteil auf die Mobilfunkkunden in Deutschland auswirken wird, ist noch unklar – auch weil das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Das VG hat zwar keine weitere Revision zugelassen, die Bundesnetzagentur kann aber versuchen, eine Zulassung der Revision beim BVerwG zu erreichen. "Wir erwarten keine negativen Auswirkungen auf den weiteren zügigen Ausbau der Mobilfunknetze in Deutschland", sagte ein Behördensprecher.

“Ohrfeige für Scheuer”

Freenet erklärte, fast sechs Jahre nach der Entscheidung herrsche endlich Klarheit. "Das Gericht hat dokumentiert, dass das Verhandlungsgebot seinen Weg in die Präsidentenkammerentscheidung nur aufgrund rechtswidriger Einflüsse gefunden hat." Zwar könne die Aufhebung der Vergabeentscheidung die für den Wettbewerb verlorenen Jahre nicht rückgängig machen. "Aber nun steht einer Entscheidung im Verbraucherinteresse nichts mehr entgegen. Wir setzen auch vor dem Hintergrund des laufenden Frequenzvergabeverfahrens darauf, dass die Bundesnetzagentur der Aufforderung des Gerichts zeitnah folgt und dabei das spätestens seit heute verbrannte Verhandlungsgebot wieder durch eine wirksame Wettbewerbsregulierung ersetzt."

Norbert Westfal, Sprecher der Geschäftsführung EWE Tel, begrüßte die Entscheidung des VG ebenfalls. Diese stärke nicht nur eine unabhängige Bundesnetzagentur, sondern vor allem den Wettbewerb im Mobilfunkmarkt. "Wir gehen davon aus, dass die Bundesnetzagentur das Urteil zum Anlass nehmen wird, um wichtige Entscheidungen – insbesondere die bisher fehlende Diensteanbieterverpflichtung - aus dem damaligen Vergabeverfahren kritisch zu prüfen, da diese den Mobilfunkmarkt bis heute belasten." Nun bestehe die Chance, dass die massiven Wettbewerbsprobleme im Mobilfunkmarkt im Rahmen einer neuen Vergabeentscheidung angemessen berücksichtigt würden. 

Der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Reinhard Houben sagte: "Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Köln ist nach dem Mautdesaster die nächste schallende Ohrfeige für den ehemaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer." Aber auch die Bundesnetzagentur habe sich offenkundig nicht klar genug gegen die massive politische Einflussnahme gewehrt. "Leidtragende der rechtswidrigen Entscheidung der Präsidentenkammer waren die Verbraucherinnen und Verbraucher, Profiteure die etablierten Mobilfunkanbieter." Die Bundesnetzagentur sei jetzt in der Pflicht, eine seriöse und gerichtsfeste Bescheidung vorzulegen.

dpa/sts/LTO-Redaktion

Beteiligte Kanzleien

Beteiligte Personen

Loschelder für EWE Tel:

Dr. Raimund Schütz (Partner, Verwaltungsrecht, Köln)

Zitiervorschlag

VG Köln zur Vergabe von Mobilfunkfrequenzen: . In: Legal Tribune Online, 27.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55279 (abgerufen am: 01.09.2024 )

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