Private Schiedsverfahren im Ausland sind kein "foreign or international tribunal" im Sinne des US-Bundesrechts. Diese Entscheidung des obersten Gerichtshof der USA hat weitreichende Konsequenzen.
Im Kontext eines Rechtsstreits um den 2017 vereinbarten Verkauf zweier Geschäftssparten des Automobilzulieferers ZF an das in Hongkong ansässige Unternehmen Luxshare hat der U.S. Supreme Court entschieden, dass US-Gerichte bei im Ausland angesiedelten Schiedsverfahren keine "Discovery", also insbesondere die umfassende Herausgabe von Dokumenten, anordnen dürfen.
Die Richterinnen und Richter hatten die seit langem umstrittene Frage zu klären, ob ein privates Schiedsverfahren im Ausland als "foreign or international tribunal" im Sinne des 28 U.S.C. 1782 anzusehen ist. Dies wurde seitens des Gerichts verneint und die von Luxshare beantragte Discovery abgelehnt.
Der Kaufvertrag zwischen ZF und Luxshare der Parteien sah vor, dass alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Transaktion in einem privaten Schiedsverfahren nach den Regeln der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) in Deutschland entschieden würden. Luxshare beantragte vor einem Gericht in Michigan, ZF gemäß § 1782 zur Herausgabe umfangreicher Dokumente zu verpflichten.
Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben
Das Bezirksgericht hatte noch gegen ZF entschieden, da das dort bindende Case Law auch private Schiedsgerichte im Ausland als "foreign or international tribunal" im Sinne des 28 U.S.C. 1782 ansah. Diese Entscheidung hat der Supreme Court nun aufgehoben. Die Richterinnen und Richter haben entschieden, dass private Schiedsgerichte nach Wortlaut, Systematik und Historie des 28 U.S.C. 1782 nicht in den Anwendungsbereich der Norm fallen. Diese solle Discovery nur für staatliche oder zwischenstaatliche Rechtsprechungsorgane ermöglichen.
Die einstimmige Grundsatzentscheidung des Supreme Court dürfte weltweit weitreichende Auswirkungen auf private Schiedsverfahren zwischen Unternehmen oder Individuen haben. Sie stellt klar, dass Parteien Discovery vor U.S.-Gerichten nicht zur Durchbrechung von Schiedsvereinbarungen nutzen können.
ZF und die Tochtergesellschaft ZF Automotive U.S. wurden von einem international besetzten Team der Kanzlei Latham & Watkins beraten und vertreten. Roman Martinez, Partner am Standort Washington D.C., plädierte vor dem Supreme Court.
Für Luxshare war nach Marktinformationen Allen & Overy mit einem Team um Anna Masser beratend tätig. Die Frankfurter Partnerin leitet die deutsche Schiedsverfahrenspraxis der Kanzlei.
sts/LTO-Redaktion
Latham & Watkins für ZF:
Roman Martinez (Partner, Washington D.C.)
Sean Berkowitz (Partner, Chicago)
Dr. Christoph Baus (Partner, Hamburg)
Dr. Alena McCorkle (Partnerin, Frankfurt)
Zachary Rowen (Counsel, New York)
Tyce Walters (Associate, Washington, D.C.)
Brent Murphy (Associate, Washington, D.C.)
Graham Haviland (Associate, Washington, D.C.)
Justin Kirschner (Associate, New York)
Stefanie Engmann (Associate, München)
Viviane Opitz (Associate, Frankfurt)
Latham & Watkins: . In: Legal Tribune Online, 17.06.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48765 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag