Großkanzleien sind in den Augen von Wirtschaftsjournalisten hochprofessionell, erfolgreich und kompetent. Wie sie sich aber in umstrittenen Mandaten wie Cum-Ex verhalten, wird in den Redaktionen kritisch gesehen, zeigt eine Umfrage.
Es ist selten, dass Journalisten – von Berufs wegen zur Objektivität verpflichtet – nach ihrer Meinung gefragt werden. Dies aber haben die PR-Beratungen Consilium Rechtskommunikation und Heieckconsult getan. Sie wollten von Wirtschaftsjournalisten wissen, wie sie die Reputation verschiedener Großkanzleien einschätzen.
"Alle von uns befragten Wirtschaftsjournalisten recherchieren und berichten unabhängig, sorgfältig und umfassend – damit prägen sie einen Teil der öffentlichen Wahrnehmung. Gerade deshalb interessiert uns ihre persönliche Meinung, denn in diesem Punkt versagen selbst die besten Medien-Resonanzanalysen auf Basis KI-gestützter Algorithmen", begründet Oliver Heieck vom gleichnamigen Beratungsunternehmen gegenüber LTO den ungewöhnlichen Ansatz.
Cum-Ex-Skandal war der Auslöser
Anlass zur Befragung gab laut Sebastian Langer von Consilium der Cum-Ex-Skandal. "Erstmals wurden hier große Wirtschaftskanzleien in Deutschland selbst umfassend und über die Fachmedien hinaus zum Thema der Berichterstattung - und zwar in großen überregionalen Zeitungen und im Rundfunk."
Die Verfasser der Umfrage wollten deshalb herausfinden, wie in diesen Redaktionen über die Großkanzleien gedacht wird. Ein zentrales Ergebnis lautet: Den Kanzleien wird ein hoher Grad an Professionalität attestiert. Sympathisch kommen sie dabei aber nicht herüber.
An der anonymen Online-Befragung haben im Juli dieses Jahres 35 Personen teilgenommen. Einige der angefragten Redakteure hätten eine Teilnahme abgelehnt und dies mit internen Richtlinien ihrer Arbeitgeber begründet, die ihnen persönliche Äußerungen in ihrer Funktion als Journalist untersagten, so die Studienverfasser.
Hochprofessionell und erfolgreich – aber nicht glaubwürdig
Die Wirtschaftsjournalisten bewerteten die fachliche Kompetenz und den unternehmerischen Erfolg der größten Kanzleien in Deutschland im Durchschnitt sehr hoch, sie vergaben jeweils im Schnitt acht von zehn möglichen Punkten. Dass die Kanzleien aus ihrer Sicht professionell arbeiten, bestätigen die Journalisten mit einem Durchschnittswert von 7,48.
Etwas schlechtere Noten vergeben die Befragten beim Aspekt "Ansehen/Reputation" - im Durchschnitt 6,91 Punkte. Die Glaubwürdigkeit der Kanzleien bewerten die Journalisten noch schlechter, nämlich mit nur 6,06 Punkten. Aus Sicht der Befragten hat auch die Qualität des Managements Luft nach oben: Hier vergeben sie im Durchschnitt 5,89 Punkte. Noch schlechter werden das Verhalten gegenüber Mitarbeitenden (5,32 Punkte) und das gesellschaftliche Engagement (4,03 Punkte) bewertet.
Mittelmäßige Pressearbeit
Wenn Wirtschaftskanzleien immer häufiger im Mittelpunkt der Berichterstattung stehen, stellt sich die Frage, wie die Kanzleien auf Presseanfragen reagieren. Nicht besonders gut, so die Antwort der Umfrageteilnehmenden. Sie bewerten die Pressearbeit nur mittelmäßig und vergeben auf einer Skala von 0 (äußerst ungeschickt) bis 10 (äußerst professionell) 5,36 Punkte.
Auch die Zuverlässigkeit und Schnelligkeit, mit der Medienanfragen beantwortet werden, könnte aus Sicht der Wirtschaftsredaktionen besser sein: Die Journalisten vergeben 5,89 von zehn möglichen Punkten. Dieses Ergebnis ließe sich sicher verbessern, so die Verfasser der Umfrage, etwa indem man Journalisten ein Update gibt, sollte ein Abstimmungsprozess länger dauern.
Imageschaden durch Cum-Ex
Was nun das Ansehen der hiesigen Wirtschaftskanzleien angeht, so zeigt die Umfrage, dass der Cum-Ex-Skandal ihnen in dieser Hinsicht erheblich geschadet hat. Auf einer Skala von 0 (= extremer Imageverlust) bis 10 (= überhaupt kein Imageverlust) vergeben die Journalisten durchschnittlich 3,19 Punkte.
Für die Zukunft gehen einige der Befragten aber durchaus davon aus, dass Großkanzleien künftig vor Annahme eines Mandats genauer prüfen werden, ob es sich möglicherweise negativ auf ihr Image auswirken könnte. Auf die Frage, für wie wahrscheinlich sie dies halten, antworteten sie auf einer Skala von 0 (= sehr unwahrscheinlich) bis 10 (= sehr wahrscheinlich) mit durchschnittlich 5,46.
Besonders im Fokus der Berichterstattung rund um Cum-Ex steht Freshfields Bruckhaus Deringer. Die Kanzlei ist im Laufe der Ermittlungen durchsucht worden; ein ehemaliger Partner muss sich wegen schwerer Steuerhinterziehung verantworten. Lange Zeit verfolgte Freshfields eine eher passive Kommunikationsstrategie und beharrte darauf, dass ihre Rechtsberatung nicht fehlerhaft gewesen sei. Später räumte der Managing Partner Stephan Eilers ein, die Beratung im Cum-Ex-Kontext sei "sicher kein Ruhmesblatt" gewesen.
Freshfields Ethikkomitee: Feigenblatt statt Vorbild
Auch um den Reputationsschaden wieder gut zu machen, gab Freshfields im Mai dieses Jahres bekannt, ein Ethikkomitee zu gründen. Unter anderem soll das Gremium das deutsche Management in Zukunft in ethischen Fragen der Mandatsführung beraten.
Dieser Schritt überzeugt die befragten Wirtschaftsjournalisten jedoch nicht besonders: Sie bewerten die Gründung des Ethikkomitees auf einer Skala von 0 (= negativ/Feigenblatt) bis 10 (positiv/beispielgebend für die Branche) durchschnittlich mit 3,48 Punkten. Fast jeder Fünfte der Befragten vergab sogar die Punktzahl 0. Allerdings bewertet eine gleicher Anteil die Installation des Ethikrates positiv - und vergab 7 Punkte.
"Diese insgesamt negative Bewertung erklären wir uns zu einem großen Teil mit Bedenken im Hinblick auf die Wirksamkeit der Richtlinien, die im Zuge der Einführung des Ethikrates aufgestellt wurden", so die Studienverfasser. Konkret werde infrage gestellt, ob diese Richtlinien tatsächlich die Annahme der Cum-Ex-Mandate verhindert hätten. Kritisch sehe man auch, dass Freshfields das VW-Mandat noch nicht niedergelegt habe, obwohl in der Ethikrichtlinie verankert sei, dass sittenwidrige Mandate aufgegeben werden müssten.
Es könnte noch schlimmer kommen
Insgesamt resümieren die Verfasser der Umfrage, dass der Cum-Ex-Skandal auch viele Monate nach der Hochphase der kritischen Berichterstattung tiefe Spuren in der Wertschätzung bei Journalisten hinterlassen hat. Allerdings verbunden mit der Erwartung, dass Großkanzleien künftig vor der Entscheidung, ob ein Mandat angenommen wird, ernsthaft überlegen, ob sie eine Beauftragung im Zweifel nicht doch lieber ablehnen.
"Sollten diese 'Hoffnungen' in Zukunft nicht in Erfüllung gehen, können sich Großkanzleien nach unserer Einschätzung bereits heute auf eine noch größere negative Berichterstattung vorbereiten, als dies im Cum-Ex-Skandal zu beobachten war", so die Autoren.
Anja Hall, Reputation von Großkanzleien: . In: Legal Tribune Online, 11.11.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43387 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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