Der schlimmste Teil des Weges war der durch die Wüste. Tarek ist einer der syrischen Flüchtlinge, die das geschafft haben. Er hat überlebt – und arbeitet seit Mai bei Hogan Lovells in Hamburg.
Tarek heißt nicht Tarek. Es ist nur der Name, den Hogan Lovells verwendet, wenn die Partner mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit gehen. Zu seinem Schutz, aber auch dem seiner Familie, vor allem von Frau und Kindern, die er zurückgelassen hat. Tarek ist syrischer Flüchtling, einer von Hunderttausenden. Er hat Glück gehabt, er habe in der Kanzlei nicht nur einen Job als wissenschaftlicher Mitarbeiter gefunden, sondern vor allem Hoffnung, sagt er. Hoffnung, sein Leben neu aufbauen zu können.
Dass das nun in Deutschland und in einer internationalen Großkanzlei passiert, war so nicht geplant. Als Tarek sich entschloss, Syrien zu verlassen, ging es erst mal nur darum "wegzukommen", hin zu einem sichereren Ort. Es hätte auch nicht Deutschland sein müssen. Es musste einfach ein Land sein, in dem er nicht um sein Leben fürchten muss. Der 47-Jährige ist Rechtsanwalt, ist spezialisiert auf gewerblichen Rechtsschutz, und hatte in Damaskus seine eigene Kanzlei. In der er wegen des Kriegszustands täglich um sein Leben fürchten musste.
"Exzellentes" Schicksal
Wohin ihn sein Weg führen würde, wusste er nicht, als er sein Land im August vergangenen Jahres verließ. Klar war nur: Die Flucht kann nicht über Jordanien oder die Türkei führen, das wäre zu gefährlich. Und auch Bulgarien und Ungarn wollte er nicht betreten, man höre viel zu viele grässliche Geschichten, sagt er. Über die Polizeieinsätze, Gefängnisse, den Umgang mit den Flüchtlingen. Auch damals schon, lange bevor diese Themen in den westeuropäischen Medien omnipräsent wurden.
Er flüchtete über den Libanon, über Algerien, Tunesien, Libyen. Nach der Ankunft in Europa ging es weiter durch Italien, Frankreich und die Schweiz. Nach einer Zeit in Freiburg landete er in Hamburg. "Das war wohl mein Schicksal", sagt Tarek heute. Denn egal, welche Flüchtlinge man unterwegs treffe, die wenigsten hätten ein Ziel. Sein Schicksal jedenfalls, das sei "exzellent".
Wie viele andere, so war auch Tarek zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft und begann nach wenigen Tagen, am Deutschunterricht teilzunehmen. Den macht in der Hamburger Unterkunft eine Dame, deren Name noch oft fällt in dem Gespräch. Eine Künstlerin, die in der Kunsthalle Hamburg arbeitet und sich ehrenamtlich engagiert. Sie hatte die Idee, Kontakt zur Rechtsanwaltskammer in Hamburg aufzunehmen. Sie rief dort an, vereinbarte einen Termin, erzählte Tareks Geschichte. Hartmut Scharmer, der Hauptgeschäftsführer der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer, nahm Kontakt zu Hogan Lovells auf. Und fragte, ob die Anwälte eine Möglichkeit sähen, Tarek zu beschäftigen.
Ein Stück Normalität
Sie sahen eine – auch wenn es noch ein bisschen dauerte. Tarek brauchte das Anerkenntnis als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Damit geht nach § 25 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz einher, dass der Flüchtling eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis bekommt. Die erhielt er – auch nach Nachfragen durch Hogan Lovells – Ende April 2015. Und begann im Juni seine Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
"Unbelievable", dachte er, als er die Zusage bekam. „Du bist ein total zerstörter Mann, geblieben ist nur die Hoffnung.“ Und dann diese Nachricht. Schnell ist er einer von vielen, einer der Mitarbeiter, die ins Büro kommen dürfen, einen Arbeitsplatz haben, Kollegen zum Reden. Und Zugang zu Telefon und Internet - ein Stück Normalität. Wie die anderen wissenschaftlichen Mitarbeiter hat er einen festen Wochenarbeitstag – darf aber kommen, so oft er möchte. Er macht Übersetzungen aus dem Englischen ins Arabische und umgekehrt, hat wöchentliche Telefonkonferenzen mit dem Hogan Lovells Counsel in Dubai. Tarek übernimmt aber auch ganz normale rechtliche Recherche. "Es gibt viele Unterschiede im Recht, aber die Grundlagen kennt man", sagt er. Sei es private oder public law, commercial law – all die Rechtsgebiete, in denen in einer internationalen Großkanzlei eher die deutschen Übersetzungen unbekannt sind als die englischen. Und er nennt die Begriffe "human dignity" und "constitution" – es gebe durchaus Ähnlichkeiten im Recht, zumindest in der Theorie.
Tanja Podolski, Syrischer Flüchtling als WissMit bei Hogan Lovells: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17052 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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